Es ist wahrscheinlich das kulturelle Coming-out des Jahres: In einem COMICOSKOP-Interview, das wir exklusiv mit Bayerns neuem Ministerpräsidenten Markus Söder führen durften, offenbart sich dieser als leidenschaftlicher Superhelden- und vor allem Spiderman/Die Spinne- und Marvel-Comic-Fan. Zudem kündigte Söder auf COMICOSKOP-Anfrage seine Bereitschaft an, es dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron gleichzutun und dem Erlanger Comic-Salon 2020, Deutschlands wichtigstem Festival für Bildergeschichten, einen offiziellen Besuch abzustatten, „wenn man mich einlädt“. Eine Bayerische Comicförderung nach dem Vorbild der landeseigenen Filmförderung wolle er mit seinen zuständigen Ministern für Kunst und Medien besprechen, zeigte sich Söder offen für neue kulturelle Wege. Das Zukunftsprojekt eines Deutschen Comic-Museums für Erlangen, um dessen Nimbus als Deutschlands Comic-Hauptstadt zu unterstreichen, nennt Söder „eine interessante, gute Idee“. Söder wörtlich im COMICOSKOP-Gespräch: „Comics waren nun mal meine große Leidenschaft. Das ist nie verloren gegangen…“ Söder weiter: „Ich bin bis heute ein Comic-Fan geblieben – und ich lese immer wieder einmal die alten Comics. Ich versuche aber auch, immer etwas Neues darin zu entdecken. Comics sind eine ganz besondere Form der Kunst und Kultur – auch dafür sollten wir werben.“ Söder amtiert seit dem 16. März 2018 als neuer Ministerpräsident des Freistaats Bayern.

COMICOSKOP: Herr Ministerpräsident, wir wollen Sie nicht zur Politik befragen, weder zur bayerischen noch zur bundesdeutschen, sondern zur Kultur, genauer gesagt: zu einer offenbar bisher gut gehüteten, geheimen Leidenschaft Ihrer Person… sind Sie dazu bereit…?

SÖDER: Ja, ich bin gespannt und freue mich darauf…

COMICOSKOP: Nun, direkt gefragt: Wir wussten ja, dass Sie sich zu Fasching gern in skurrile Verkleidungen werfen, als „Shrek“ auf dem Nockherberg neben Seehofer sitzen, aber das, was wir da neulich in einer Zeitung erspähten, damit hätten wir nun wirklich nicht gerechnet. Was hat es mit dem geheimnisvollen Spiderman-Plakat auf sich, das zumindest in Ihrem Nürnberger Wahlkreisbüro hing oder hängt… wir haben es auf einem Foto, das die „Süddeutsche“ mit Ihnen kurz vor Ihrer Kür zum Ministerpräsidenten führte, entdeckt, sahen, wie es, zu unserem Erstaunen, hinter Ihnen hervorlugt… Und wir haben gerätselt: Hing oder hängt es da zufällig, als Gag, als Spleen, oder steckt mehr dahinter…??? Sind Sie etwa gar ein heimlicher Spiderman-, Stan Lee-/Jack Kirby bzw. Steve Ditko-Fan – und keiner weiß es…?

SÖDER: Ich bin seit meiner frühesten Jugend Spiderman-Fan. Früher hieß es ja „Die Spinne“… Als Schüler habe ich Marvel- Superheldencomics regelrecht verschlungen: Von „Hulk“ über „Thor“ bis hin zu den „Rächern“. Auch die „Fantastischen Vier“ habe ich sehr gemocht. Mein absoluter Favorit war allerdings immer „Die Spinne“, also Peter Parker als „Spiderman“… Meine Mutter war etwas besorgt, dass ich lieber Comics statt Bücher gelesen habe… Comics waren nun mal meine große Leidenschaft. Das ist nie verloren gegangen…

COMICOSKOP: Wussten wir’s doch, dass hinter dem Spiderman-Plakat mehr steckt als nur ein bloßes Büro-Plakat... Wir hatten ähnliche Erlebnisse, Stichwort: ‚Der Junge liest zu viele Comics, der wird nie lesen und schreiben lernen‘… (erst Asterix brachte eine kleine Wende…). Was hat Sie denn so an Stan Lees und Steve Ditkos Marvel-Bildgeschichten fasziniert, und an jenen von Gil Kane, John Romita senior, Herb Trimpe & Co.? Wo Sie doch gerade als DIE SPINNE- und Marvel-Comic-Fan geoutet haben: Haben Sie die SPINNE-Comics des Williams Verlags gelesen…?

SÖDER: Als Kind der 1970er Jahre konnte ich mich natürlich nicht den Comics von Stan Lee entziehen. Die 70er Jahre waren meine Comic-Zeit. Ich habe von der ersten bis zur hundertsten Ausgabe alles gelesen. Ich kannte Spiderman und all seine Schurken: Dr. Octopus, Kraven den Jäger oder den grünen Kobold. Alle zwei Wochen habe ich meine Mutter um Geld angebettelt, damit ich mir immer die neuesten Marvel-Hefte kaufen konnte…

COMICOSKOP: Ach wirklich? Das kommt mir bekannt vor, bei mir waren es die ZACK- und Pollischanskys Prinz Eisenherz-Hefte, die zu Geldforderungen an meine Mutter führten… Hängt das SPINNE-Plakat jetzt auch im Büro des Ministerpräsidenten? Das wäre uns eine Schlagzeile wert…!

SÖDER: Zu meinem 50. Geburtstag, 2017, habe ich das Spiderman-Bild geschenkt bekommen. Seitdem hängt es bei mir im Büro in Nürnberg. Es ist eine große Hommage an meine Jugend...

 COMICOSKOP: … Jetzt haben wir unsere Schlagzeile: Bayerns Ministerpräsident outet sich als Superheldencomic-Fan… Zum Comic allgemein: Wann haben Sie Ihren allerersten Comic gelesen – und welcher war das?

SÖDER: Mein allererstes Comic Heft war Rolf Kaukas „Fix und Foxi“, das mir mein Vater geschenkt hatte. So wurde mit gerade mal fünf Jahren meine Leidenschaft geweckt. Im Jugendalter hatte ich dann nahezu hundert Comics bei mir zu Hause – aller Art und aller Schattierungen. Von „Mad“ bis hin zu Burne Hogarths „Tarzan“.

COMICOSKOP: Sieh mal einer an, da tun sich ja ungeahnte Gemeinsamkeiten auf, wer hätte das gedacht… Zur kulturpolitischen Gegenwart: Wie es der Zufall will, sind die beiden wichtigsten bundesdeutschen Comic-Festivals beide in Bayern, das größte in Ihrer Heimat Franken, in Erlangen seit 1984 durchgehend alle zwei Jahre, das mittlerweile zweitgrößte in München, mit Unterbrechungen seit 1985… Obendrein gibt es jetzt auch noch das Erika Fuchs Haus im oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale… Wie stehen Sie allgemein zum Thema Comic, wo Bayern doch – inzwischen europaweit und international anerkannt – das mit Abstand führende deutsche Comic-Mekka ist?

 SÖDER: Nun, ich bin bis heute ein Comic-Fan geblieben – und ich lese immer wieder einmal die alten Comics. Ich versuche aber auch, immer etwas Neues darin zu entdecken. Comics sind eine ganz besondere Form der Kunst und Kultur – auch dafür sollten wir werben.

COMICOSKOP: Lesen Sie auch andere Comics als nur Marvel-Spiderman- oder Superhelden-Comics? Wenn ja, welche?

SÖDER: Eigentlich sehr wenig. Wenn, dann lese ich die Alten immer wieder gerne. Kürzlich habe ich wieder ein paar „Gespenster-Geschichten“ aus dem Bastei Verlag in die Hand bekommen. Ab und zu gehe ich in unseren Keller und blättere ein paar der alten Hefte durch…

COMICOSKOP: Oh, die famosen Gespenstergeschichten? Das wird Ewald Fehlau, den langjährigen Bastei-Redakteur dieser Heft-Serie und ein guter Bekannter von uns, sicher freuen zu hören… Wäre denkbar, dass Sie es französischen Politikern wie Emmanuel Macron, der ein großer bekennender Fan der Bande Dessinée ist, gleichtun, und dem Internationalen Comic-Salon Erlangen einen Besuch abstatten, vielleicht ja jetzt schon Ende Mai/Anfang Juni, zum 18. Salon?

SÖDER: Es wäre mir eine Ehre, über Comics zu fachsimpeln. Wobei ich gestehen muss, dass ich kein Experte mehr von aktuellen Comics bin…

COMICOSKOP: Keine Sorge, der Erlanger Comic-Salon bietet Platz für alle und jeden… der gemeinsame Nenner ist die Comic-Leidenschaft… Was uns zur nächsten Frage bringt: Waren Sie denn je schon mal auf dem Comic-Salon Erlangen, der ja nun schon stolze 34 Jahre lang besteht – und wenn ja, wann war das – und was hat Sie da besonders beeindruckt?

SÖDER: Ich habe schon während meiner Studienzeit davon gehört – und habe es bedauert, dass ich bis heute nicht da gewesen bin. Eigentlich ist es schon lange eine Pflicht, einmal den Erlanger Comic-Salon zu besuchen. Wer weiß, vielleicht klappt es in zwei Jahren, 2020, beim nächsten Salon – wenn Sie mich einladen?!

COMICOSKOP: Naja, wir sind zwar schon Anfang an dabei, aber nicht die Veranstalter. Wir geben das aber gern an die Verantwortlichen weiter… und wir freuen uns schon, wenn Sie dann 2020 unsern kleinen, aber feinen COMICOSKOP-Messestand besuchen. Immerhin waren wir dann ja nicht ganz unschuldig daran, dass Sie mal zum Erlanger Comic-Salon kommen… Noch eine kulturpolitische Frage: Wäre denkbar, dass Sie in Zukunft neben der international bekannten bayerischen Filmförderung – man denke nur an den Bayerischen Filmpreis, die nach dem Deutschen Filmpreis höchstdotierte Auszeichnung für Kinofilme in Deutschland – nun auch kulturell neue Wege wagen – und eine institutionelle, fest verankerte bayerische Comicförderung etablieren?

SÖDER: Da frage ich mal meine zuständigen Minister für Kunst und Medien...

COMICOSKOP: Also, da nehmen wir Sie gern beim Wort: Frau Professorin Kiechle und Herr Eisenreich hätten die einmalige, historische Chance, in Deutschland wirklich Vorreiter zu sein, so, wie schon bei der Filmförderung, Maßstäbe zu setzen… Apropos Fördern: Wie stehen Sie zur Forderung eines Deutschen Comic-Museums in Erlangen? Angoulême, das größte Comic-Festival Europas, in Südwestfrankreich ist da das große Vorbild… Die Berliner und Hamburger Konkurrenz schläft schließlich nicht…

SÖDER: Das finde ich grundsätzlich eine interessante Idee. Ein Deutsches Comic-Museum in Erlangen fände ich im Übrigen auch eine gute Idee…

COMICOSKOP: Das freut uns zu hören…die Erlanger Stadtpolitik kann diesbezüglich Rückenwind, Solidarität und Anschubfinanzierung gut gebrauchen…! In Frankreich haben politische Bildsatiren seit Honoré Daumiers Zeiten eine lange, gute Tradition. Und streng genommen auch in Bayern: Siehe Münchner Bilderbogen bis hin zum Simplicissimus, mit Hauptsitz in München… etc. Wie fänden Sie es, wenn es alsbald einen Markus Söder-Satirecomic gäbe? Schließlich sind auch Franz Josef Strauß (aus Feder Horst Haitzingers, Dieter Hanitzschs, Rudi Hurzlmeiers) und Edmund Stoiber (im Angela Merkel-Comic „Miss Tschörmänie. Wie aus Angie unsere Kanzlerin wurde“ von Haiko Sakurai) in Bildgeschichten verewigt worden…

SÖDER: Da ich inzwischen selber häufiger Gegenstand von Karikaturen bin, schätze ich sie – meistens...

COMICOSKOP: Eine letzte Frage – da Sie sich ja nun in diesem COMICOSKOP-Interview überraschenderweise als Comic-Fan geoutet haben: Werden Sie jetzt mit Peer Steinbrück von der SPD, dem ehemaligen Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und Ex-Bundesfinanzminister, eine überparteiliche Comic-Lesegruppe für Spitzenpolitiker ins Leben rufen? Denn der hat sich vor einiger Zeit ja auch öffentlich – ebenfalls überraschend – als glühender, kenntnisreicher Comic-Enthusiast geoutet…

 SÖDER: …warum nicht, vielleicht kann man ja eine Große Koalition für Comics gründen (lacht)…

COMICOSKOP: Herr Ministerpräsident, besten Dank für das, comic-kaleidoskopisch gesehen, hochinteressante Gespräch – und danke, dass Sie uns Ihre geheime Comic-Leidenschaft preisgegeben haben…