COMICOSKOP - Unabhängiges E-Fachmagazin für Comic-Kultur & Bildgeschichte

Herausgegeben und gegründet von Martin Frenzel                      Online seit Dezember 2014 / Chefredakteur: Martin Frenzel

München leuchtet voller Comic-Sterne und verneigt sich vor der Comic-Ikone Matthias Schultheiß, Batman, Eduardo Risso und Taiwan

Deutschlands zweitwichtigstes, zugleich aber mit Abstand familiärstes Comic-Festival: Vom 20. Juni bis 23. Juni 2019 / PENG-Preis für ein Lebenswerk geht 2019 an den aus Nürnberg stammende Comic-Oldie Matthias Schultheiß (71) / Ausstellungen locken: 80 Jahre Batman im Amerika-Haus, 40 Jahre Titanic im Karl Valentin-Museum, Barbara Yelin, Mawils "Lucky Luke" oder Eduardo Risso / Länderschwerpunkt: Comics aus Taiwan / Verlagsmesse in der Alten Kongreßhalle / Auch der umstrittene ehemalige SZ- und heutige Abendzeitung-Karikaturist Dieter Hanitzsch bekommt eine Schau-Bühne /  Zahlreiche Comic-Stars aus dem In- und Ausland haben ihr Kommen angesagt: Ana Miralles, Francois Boucq, Dave McKean, Olivier Schwartz, Ralf König, Vittorio Giardino,  Lucky Luke-Zeichner Achdé und Mawil, Frank LeGall, Giorgio Cavazzano und Kim u.v.a. /KünstlerInnen-Gespräche, Signierstunden, eine Comic(sammler)börse und Zeichenkurse runden das pralle Programm ab / Biergarten inklusive

Von COMICOSKOP-Chefredakteur Martin Frenzel

Deutschlands zweitwichtigstes Comic-Festival nach Erlangen, das Münchner Comic-Festival lässt die Weltstadt mit Herz leuchten, bietet auch diesmal – vom Fronleichnams-Donnerstag 21. Juni bis Sonntag 23.Juni 2019 allerlei Comic-Sterne…

 Seit der Premiere 1985 mit Initiator Wolfgang J. Fuchs im Kulturzentrum Gasteig mit der damals noch „Münchner Comic-Tage“ heißenden Veranstaltung, hat sich München immer mehr gemausert und ist heute längst alle zwei Jahre wieder eine liebenswerte Alternative zur Nummer Eins in deutschen Landen, dem fränkischen Internationalen Comic-Salon Erlangen. Erlangen in den geraden Jahren, München in den den ungeraden, das ist leicht zu merken – und außerdem kommt man sich nicht ins Gehege, ergänzt einander. In diesem Jahr bietet München gleich mehrere Highlights: Von Batman über Eduardo Risso bis zur Titanic-Schau, zahlreiche Stars wie Francois Boucq, Dave McKean, Lewis Trondheim und Olivier Schwartz geben sich die Ehre, nicht zuletzt Eduardo Risso persönlich. Auch deutsche Zeichnerprominenz hat sich angesagt: Ralf König, Barbara Yelin und Matthias Schultheiß lauten nur einige der Namen. COMICOSKOP-Reporter Martin Frenzel war bereits 1985 zur Premiere der Münchner Comic-Tage dabei - und schrieb damals fürs Feuilleton der Südddeutschen Zeitung über das Ereignis...

Festivalleiter Heiner Lünstedt / Foto: Martin Frenzel (Comicoskop)

Herzstück des Comic-Festivals – seit 2011 unter bewährter Leitung des gebürtigen Hamburgers und Wahl-Münchners Heiner Lünstedt und – seit zwei Malen - Rainer Schneider ist seit 2015 die Alte Kongressghalle gegenüber der durchs Oktoberfest weltberühmten Theresienwiese… die Halle birgt den Festival-Magneten auch in diesem Jahr, die Verlagsmesse, aber auch allerlei Ausstellungen und Vorträge sowie Podiumsgespräche. Wer im Biergarten der Gastronomie einfach nur ausspannen will, kann dies wunderbar an den langen Holztischen bei allerlei Bier und bayerischen Deftigem tun, der Gastronomie in der Halle sei Dank.

Schirmherr des Münchner Comic-Festivals ist erstmals in der deutschen Festival-Geschichte ein deutscher Ministerpräsident: Ausgelöst durch sein Comic-Outing im COMICOSKOP-Exklusiv-Interview vom Mai/Juni 2018, sagte Regierungschef Markus Söder sofort zu, musste dann aber wegen eines „wichtigen Termins“ jäh vor kurzem doch noch wieder absagen. Aber immerhin hat das COMICOSKOP-Interview eine gelungene, weil glaubwürdig wirkende Video-Grußbotschaft via Youtube Söders zur Folge hat – und der bayerische MP gibt dem Festival auch in Gestalt eines Grußworts fürs Programmheft höchstoffiziell seinen Segen.

An Söders Stelle eröffnet nun dessen Digitalministerin Judith Gerlach am Fronleichnams-Abend um 19.00 Uhr das Gesamtereignis… immerhin!

 

Wie in den Vorjahren präsentieren die Münchner wieder einmal ein beeindruckendes Ausstellungs-Spektrum an Ausstellungen: Den diesjährigen Länder-Schwerpunkt bildet eine Schau „Comics in Taiwan“ mit Werken u.a. des Großmeisters Chen Uen, aber der in München Präsenz zeigenden Künstler Jimmy Lao, Sean Chuang und der Nachwuchs-Hoffnung 61Chi. Kurz: Eine Schau, die belegt, wie famos die Comic-Künstler auf Formosa inzwischen zu Werke gehen.

 

Die Kongreßhalle birgt ein wahres Füllhorn an kleinen und mittelgroßen Ausstellungen: Die eine ist der bundesdeutschen Comic-Zeichner-Legende Matthias Schultheiß (71), der in den 1980er Jahren mit „Die Haie von Lagos“ oder seinem Bukowski-Comic über den Umweg Frankreich/Belgien auch bei uns als Bilderzähler erotisch-hartgesottener Abenteuer-Comics von sich reden machte und schon 1986 den zweiten Max-zund-Moritz-Preis fürs Lebenswerk in Erlangen einheimste. Dann aber zu Unrecht mehr oder minder in der Versenkung verschwand: So sehr, dass niemand seinen 70. Geburtstag 2016 feierte, weil Wikipedia fälschlicherweise seinen Geburtstag auf September verlegt hatte. Es mag ihm ganz recht gewesen sein, so in aller Stille im Juli sein 70. Wiegenfest zu feiern, aber zweifelsfrei hat der Mann, der 1946 in Nürnberg geboren wurde und in Hamburg lebt, den PENG-Preis 2019 als Hommage für sein Lebenswerk längst verdient.

Auch Olivia Vieweg, Katja Klengel und Timo Würz sind aus der Riege „Comics made in Germany“ Ausstellungen in der Kongreßhalle gewidmet. Gespannt sein darf man auf Ana Miralles, Cyril Pedrosa und Kiko Da Silva sowie Petzi aus der Feder des französischen Wahl-Dänen Thierry Capezzone.

Zu den nach München durch die verlage eingeladenen Comic-Sternen gehören der Franzose Lewis Trondheim (Herr Hase, FDonjon), der Starzeichner francois Boucq (Bouncer, Teufelsmaul) und Spirou-Zeichner Olivier Schwartz, der schon das letzte Mal die bayerische Metropole mit seiner Anwesenheit beehrte.

 

Die britische Comic-Legende Dave McKean (Batman Arkham Asylum) wird leibhaftig erwartet. McKean wird in München am 19.Juni 2019 im Jüdischen Museum sein musikalisches Projekt „Black Dog: The Dreams of Paul Nash“ – zusammen mit seiner Frau Clare Haythornthwaite und Matthew Sharp, als Konzert darbieten. Das Multi-Media-Projekt von 2016 erzählt die grauenhaften Erlebnisse des englischen Malers Paul Nash im Schützengraben während des Ersten Weltkriegs. Freitag zeigt er zudem seinen Kurzfilm „The Week Before“.

 

Eine feine Tradition beim Münchner Comic-Festival sind die sehenswerten Schauen im Instituto Cervantes, dem Spanischen Kulturinstitut: Dort können sich Comic-Freundinnen und –Freunde auf eine große Werkschau zu Ehren des Argentinuers Eduardo Risso freuen… (100 Bullets, Batman). Ein Leckerbissen dürften auch die simultan gedolmetschten Künstlergespräche dort werden – u.a. mit Enrique Sánchez Abuli, KIM, Max, José-Luis Munuera, der wunderbaren Ana Miralles und Emilo Riuz.

 

Eine Premiere: Erstmals mit von der Partie ist das Pendant zu den Spaniern, das Institut Francais (Französische Kulturinstitut) München mit von der Partie. Es zeigt die Exponate der satirischen Fahrrad-Western-Adaption des Berliner Zeichners Mawil „lucky Luke sattelt um“. Zudem wird es dort – ähnlich wie im Cervantes – Künstlergespräche geben, mit den während der tollen Tage in München weilenden französischsprachigen Künstlern.

 

Eigens zum Festival erscheint eine exklusive Ausgabe der bayerischen Superheldencomic-Persiflage „TRACHTMAN“.

 

Die exzellente Münchner Comic-Künstlerin Barbara Yelin (Irmina) hat nicht nur das offizielle Festivalplakat gefertigt, sie ist auf der Kunst-Insel am Lenbachplatz mit zweien ihrer Werke präsent. Zudem präsentiert das Jüdische Museum Original-Seiten ihrer Bildgeschichte „Vor allem eins: Dir selbst sei treu. Die Schauspielerin Channa Maron“.

 

Ein weiteres Highlight dürfte die TITANIC-Ausstellung „Hier lacht der Betrachter“ im verwinkelten Schachtel-Museum Valentin Karlstadt Musäum sein – eingedenk des 40jährigen Jubiläums der Frankfurter Satirezeitschrift um die Neue Frankfurter Schule um Robert Gernhardt, F.W.Bernstein, Chlodwig Poth, F.K.Waechter – und als letzter Überlebender Hans Traxler, der dieser Tage 90. Geburtstag feierte. Eine Schmankerl sind die Promi-Karikaturen aus der Feder von Hilke Raddatz, die u.a. Markus Söder aufs Korn nimmt. Die Schau ist auch nach dem Festivalende noch zu sehen, bis zum 9.Juli 2019.

 

Ein Höhepunkt des Münchner Comic-Festivals: Die achte Verleihung des festival-eigenen PENG!-Comicpreises in verschiedenen Kategorien. U.a. wird Münchens Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers, der im Juni 2019 sein Amt niederlegt, einen PENG!-Preis „für besondere Leistungen für die Münchner Comic-Szene“ erhalten.

 

Zum 80jährigen internationalen Jubiläum des Dunklen Ritters zeigt das Amerikahaus eine Batman-Retrospektive – vom wahren Erfinder Bill Finger (und dem nutznießenden Ideen-Dieb Bob Kane) über Neal Adams, Jim Aparo bis Alex Ross, Mike Mignola, Dave McKean oder Eduardo Risso.

 

Ein Ehrengast des Festivals 2019, ein Cowboy nicht in Paris, sondern in München: Lucky Luke-Zeichner Achdé, der das Kunststück nach Morris‘ Tod vollbrachte, dessen große Fußstapfen grafisch gut zu füllen (was bei den Texten eines Goscinny weniger gut gelang)…

 Dass man seitens der Veranstalter Dieter Hanitzsch im Bier- und Oktoberfestmuseum eine Schau-Bühne ist ein Wagnis: Fraglos gehört Hanitzsch zeichnerisch zu den Besten seines Fachs, allerdings waren seine antijüdischen Netanjahu-Karikaturen hart am Rande des Unerträglichen, die ihn bei der Süddeutsche Zeitung den Posten des Haus-Karikaturisten kostete. Bleibt zu hoffen, dass uns zumindest Hanitzschs fragwürdige Anti-Israel-Zeichnungen in der Schau erspart bleiben.

 

Ebenfalls ein Stelldichein gibt sich in München Jörg Buttgereit, der zu Recht mit seiner Superhelden-Satire „Captain Berlin“ in der Szene für Aufsehen sorgt.

Wie schon 2017 kommen auch wieder die Wikinger, um München zu erobern: Eine ganze Dänen-Delegation reist aus dem hohen Norden an, darunter Frank Madsen, Sussi Bech, Ingo Milton Bjørk Matias Friis, Steffen Kverneland, Lars Jakobsen,Thomas Schrøder, Palle Schmidt u.a.

 

Die vielleicht größte Überraschung freilich ist, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bereitwillig die Schirmherrschaft fürs Comic-Festival übernommen hat. So schreibt Söder in seinem Grußwort: "Comics sind voller Kunst. Ihre Welt ist vierfarbig und vielsprachig. In München treffen Comics aus Nord- und Südamerika auf solche aus Asien und europa. Überall auf der Welt begeistern sich Leserinnen und Leser für den Comic, überall entwickelt er seinen eigenen Stil. Auch ich kenne die Faszination, die von gutgemachten Comics ausgeht." Und weiter heißt es: "Wie vielfältig Comics sind, zeigt ihre Bildsprache: Sie wird von Kulturen ebenso geprägt wie von Verlagen und Serien. Die Fans unterscheiden beispielsweise ganz genau zwischen Marvels und DCs. Superhelden und Superschurken begeistern das Publikum und nehmen Anleihen bei klassischen Mythen; Superman und Batman, Wolverine und Hulk, Loki und der Joker. Graphic Novels erzählen ganze Romane, die japanischen Animé kultivieren einen Kanon von Gesten und Mimik. Ein spannender Kosmos!" All dies wurde - wie Söders Youtube-Videobotschaft - ausgelöst durchs COMICOSKOP-Exklusivinterview mit dem bayerischen Regierungschef vom Mai/Juni 2018. Wer weiß, wohin diese neue kulturpolitische Allianz in Zukunft noch führt. München leuchtet - und ein deutscher Ministerpräsident gibt dafür seinen Segen.

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