COMICOSKOP - Unabhängiges E-Fachmagazin für Comic-Kultur & Bildgeschichte

Herausgegeben und gegründet von Martin Frenzel                      Online seit Dezember 2014 / Chefredakteur: Martin Frenzel

Von der Kraft der Bildgeschichte: Deutschlands erster und bekanntester Comic-Professor wird 70

Zwischen Prinzip Bildgeschichte, kompetentem Leser und dem Umgang mit Papiertheater: Ein Leben für die Comicforschung - Dietrich Grünewald zum Siebzigsten

Der Theoretiker des „Prinzips Bildgeschichte“ gehört zu den wenigen Comic-Vordenkern im deutschsprachigen universitären Wissenschaftsbetrieb  / Initiator und langjähriger Gründungsvorsitzender der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) / Ausgewiesener Comic-Kenner – nicht zuletzt der deutschen Comic-Frühgeschichte

Eine Würdigung zum 70. Geburtstag von unserem COMICOSKOP-Mitarbeiter Klaus Albeck

Lebenswerk Comicforschung: Dietrich Grünewald, der dieser Tage 70 Jahre alt wurde, ist (auch) ein Kämpfer fürs Prinzip Bildgeschichte

Er gilt als Deutschlands erster und bundesweit bekanntester Comic-Professor, der sich schon früh mit Comics beschäftigte, als dies für viele – zumal an den Universitäten – eine Terra Incognita, um nicht zu sagen: ein Wagnis war. Und als einer, der nicht müde wird, die Kraft der narrativen Bilder zu postulieren.  Er gehörte zur jenen raren Spezies im deutschen Sprachbereich, die bereits im Laufe der 1970er Jahre nicht nur die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gattung des grafischen Erzählens suchten und den Comic nicht als Quantité négligeable abtaten, sondern sogar eine umfassende Theorie der Comic-(Bild- und Text-)Sprache, kurzum, des „Theaters auf Papier“ (Grünewald) entwickelten. Dietrich Grünewald, seines Zeichens langjähriger Vorsitzender der Gesellschaft für Comicforschung und deren Initiator, jahrelang comicophiler Professor für Kunstwissenschaft/Kunstdidaktik an der Universität Koblenz-Landau und Vater der Theorie des „Prinzips Bildgeschichte“ und des „Papiertheaters“ begeht am 14. Dezember 2017  seinen 70. „runden“ Geburtstag.

Grünewalds Theorie des „Prinzips Bildgeschichte“ hat bis heute nichts an Aktualität und Wirkungskraft eingebüßt und reiht ihn auch in die führende Riege der internationalen Comicforscher-Szene ein. Sie fußt wesentlich auf dem dereinst vom Schweizer Bilderromancier Rodolphe Töpffer formulierten Theorie der Bildergeschichte: So schrieb dieser bereits 1845 in seinem „Essai de Physiognomie“: „Man kann in Kapiteln, in Reihen, in Worten Geschichten schreiben. Das ist Literatur im eigentlichen Sinne. Man kann auch in einer Folge grafischer Darstellungen Geschichten erzählen: Das ist Literatur im Bilde. (...) Die Zeichnungen hätten ohne den Text nur eine unklare Bedeutung; die Texte ohne Zeichnungen bedeuten nichts." 

Er gehörte bereits in den frühen 1980er Jahren zu jenen, die eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Comic, insbesondere mit dem Kinder- und Jugendcomic versuchten. Zeugnis davon ab legen Comic-Sekundärwerke wie das Buch „Comics – Kitsch oder Kunst? Die Bildgeschichte in Analyse und Unterricht“ (Ein Handbuch zur Comic-Didaktik, erschienen 1982 im Beltz Verlag). Schon damals, vor 35 Jahren, legte Grünewald ein vehementes Plädoyer fürs Prinzip Bildgeschichte ab – verbunden mit der Forderung nach qualitativen Comics in Form und Inhalt. Grünewald damals wörtlich: „Comicheft, Comicstrip und Bilderbogen, Bilderbuch oder Bilderroman à la Töpffer oder Busch sind nicht dasselbe, weder inhaltlich noch formal. Aber alle diese Formen sind Erscheinungsweisen eines Erzählprinzips: der Bildgeschichte. Neben Textliteratur und Bildender Kunst, neben Theater und Film ist die Bildgeschichte eine eigenständige Kunst mit spezifischen Darstellungsweisen und spezifischer Wirkung, aber den verschiedensten Erscheinungsformen und Medien.“

Pionier der europäischen Comic-Kultur: Der Schweizer Bildgeschichten-Erzähler Rodolphe Töpffer - von Zeitgenosse Goethe in den höchsten Tönen gelobt und gefördert...

Auch sein bereits 1984 erschienene Buch „Wie Kinder Comics lesen. Eine Untersuchung zum Prinzip Bildgeschichte, seinen Rezeptionsanforderungen sowie dem diesbezüglichen Lesevermögen und Leseinteresse von Kindern. Jugend und Medien Bd. 7“ zeigt, wie früh Dietrich Grünewald Comicforschung betrieb. Zu einer Zeit, als dies – anders als heute – alles andere als en vogue war.

 

Kinder und deren Comicrezeption, aber auch die Inhalte von Kindercomics beschäftigten ihn, den Bildgeschichten-Forscher aus Passion, von Beginn an – bereits 1979 schrieb Grünewald eine mehrteilige Bestandsaufnahme über Kinder im Comic fürs Fachmagazin „Comixene“. 

Gespräch mit Dietrich Grünewald im SWR (2013): Die Kraft der Bildgeschichten wird in Deutschland neu entddeckt. Und so mancher seine Fähigkeit zur Einfühlung, zum Mitdenken und Entdecken

Dabei verstand er es stets, komplexe Inhalte in einer angenehm eleganten, allgemeinverständlichen Wissenschaftsprosa zu präsentieren. Soziologenchinesisch ist seine Sache nicht, konkret am Beispiel zeigen, was einen Comic ausmacht, ist ihm ein Herzensanliegen.

Peyo (li), der Hans Christian Andersen der Kindercomics, und das Schlümpfe-Album "Der Finanzschlumpf" / Foto: Dupuis / Cover: (c) Carlsen & Peyo

So ist es kein Wunder, dass er etwa übers Thema Geld im Comic schreibt, über Peyos Finanz-Schlumpf ebenso wie über den wohl bekanntesten, dieses Jahr ebenfalls 70jähriges feiernden Geizhals und Super-Kapitalisten der Comic-Geschichte, Onkel Dagobert aus der Feder von Carl Barks.

 

Seine Forschungsschwerpunkte lauten seit jeher: Bildgeschichte/ Comic – Geschichte, Theorie, Analyse, Vermittlung und Karikatur/ Visuelle Satire…

Der Bildgeschichten-Forscher in seinem Element: Es ist immer ein Genuss, einem Grünewald-Vortrag zuzuhören - er versteht es, seine ZuhörerInnen zu fesseln...

Grünewalds Interesse gilt nicht zuletzt der verschütteten deutschen Frühgeschichte des Comics und deren Bildgeschichten-Vorläufer: „Die Bildgeschichte hat in Deutschland eine lange kulturelle Tradition. So kann als ein früher Bildroman die um 1220 entstandene Bildgeschichte zum Eneas-Roman des Heinrich von Veldeke in der "Berliner Handschrift" angesehen werden, deren Akteure in Spruchbändern miteinander kommunizieren. Von Albrecht Dürer, Max Klinger und Käthe Kollwitz über Johann Heinrich Ramberg, Lothar Meggendorfer und Wilhelm Busch bis hin zu Erich Ohser und Ralf König zieht sich ein vielfältiges und reiches Œuvre an Bildgeschichten durch die deutsche Kultur“, schreibt er in einem seiner zahlreichen Aufsätze über Comics.

FRÜHE BILDGESCHICHTE: Albrecht Dürers "Tier mit Lammshörnern", circa 1497... (c) Hamburger Kunstmuseum

LIGNE CLAIRE AUS GERMANIEN: Schneewittchen. Ein Märchen in zwölf Bildern von Lothar Meggendorfer (von circa 1910). Stuttgart: Weise.

Frühe deutsche Comic-Tradition: e.o.plauens alias Erich Ohsers "Vater und Sohn" (1934-1937) / (c) Südverlag Konstanz

Clément Moreau (* 1903 bei Koblenz am Rhein; †1888 in Sirnach), alias Carl Josef Meffert, war ein politisch und sozial engagierter Gebrauchsgrafiker und Künstler: Sein im Exil entstandenes Hauptwerk "Nacht über Deutschland" erschien 1940 in Argentinien.

Miguelanxo Prados meisterhafte Comic-Erzählung Ardélen / (c) Egmont-Ehapa und Miguelanxo  Prado

Galicische Unterwasser-Melancholie: Miguelanxo Prados meisterhafte Comic-Erzählung Ardélen / (c) Egmont-Ehapa und Miguelanxo  Prado

Es ging und geht Grünewald stets um die allgemeinen Grundlagen des Prinzips Bildgeschichte, seine Leistungs- und Wirkungsmöglichkeiten, Ansätze seiner Theorie, Möglichkeiten seiner Analyse und Wertung. Mit seiner Theorie platzierte sich der langjährige Koblenzer Professor und Pionier des Prinzips Bildgeschichte mitten zwischen den Stühlen: Zwischen jenen Apologeten, die Comic vor allem als grafische Kunstform sahen, und jenen, die vor allem das Literarische Element hervorhoben. Sein Credo: „Comic ist eine Erscheinungsweise der Bildgeschichte. Somit ist nicht das Einzelbild, sondern die Bildfolge Aussageträger. Bildgeschichte ist „Bildliteratur“, weder mit dem Instrumentarium der Kunstwissenschaft voll zu erschließen und zu werten, noch mit dem der Literaturwissenschaft. (...) Die Bildgeschichte als Erzählprinzip in ihren verschiedenen Formen lässt sich nicht der Bildenden Kunst oder der Literatur subsumieren, sondern ist eigenständig. (...) Die Bildgeschichte ist eine Art grafisches Theater, eine Art Film zum Lesen (...). “ Bereits 1979 hatte Grünewald den Band „Karikatur im Unterricht“ veröffentlicht, was den Facettenreichtum seines Forschungsinteresses dokumentiert: Das Spektrum umfasst alle Erscheinungsformen des Prinzips Bildgeschichte – eben nicht nur Comic, sondern auch Karikatur und Cartoon (Mafalda) – bis hin zum Papiertheater.

 

Genialer argentinischer Zeitungscomic-Klassiker: Quinos "Mafalda", die Serie um die altkluge Göre erschien von 1964 bis 1973 - und geriet zum Welterfolg... Bilder: (c) Quino

Nicht umsonst (2007) erschien aus seiner Feder der Aufsatz „Theater auf Papier - Anmerkungen zum Verhältnis von Bildgeschichte und Theater“.

 

1984 erschien sein noch immer lesenswertes Buch „Wie Kinder Comics lesen“ – das sich als Beitrag zur Rezeptionsforschung rund ums Prinzip Bildgeschichte bei Kindern und Jugendlichen verstand und insbesondere auf deren Lesevermögen und Leseinteresse fokussierte. So zeigte die Rezeptionsanalyse bei 499 Grundschülerinnen und –schülern im Alter von durchschnittlich neun Jahren, dass die Kinder die Wort- und Bildinformation „als synthetische Einheit“ erfassten und rezipierten. Es gehe, so Grünewald weiter, darum, die Chancen und Möglichkeiten des Prinzips Bildgeschichte zu erweitern und zu nutzen, auch und gerade im Schulunterricht. „Die Grundlagen für die Comic-Rezeption, das heißt, den Umgang mit Comics speziell, mit Bildgeschichten allgemein, werden in der Regel früh gelegt – nämlich in der ersten Comic-Erfahrung der Kinder.“

Wollte den Westdeutschen das Comiclesen vermiesen, bewirkte aber das Gegenteil: Manfred Schmidts populärer Detektiv-Satirecomic "Nick Knatterton", der von 1950 an die Leser der "Quick" beglückte / Bild: (c) Wilhelm Busch Museum Hannover / Manfred Schmidt

1991 erschien in Erstauflage das lesenswerte, fundierte Bändchen „Vom Umgang mit...Comics“ im Volk und Wissen Verlag Berlin, eine 2., durchgesehene Auflage folgte 1996: Darin vertiefte und wiederholte Grünewald sein Credo von der Notwendigkeit, „bewusst mit Comics umzugehen“. Auch hier warb er für den Begriff des „Prinzips Bildgeschichte“ als übergeordneter Klammer – ein Begriff, „der allgemein das Erzählen in Bildern meint.“ Nicht Verfemung und Verfolgung, Reglementierung oder Zensur sind Grünewald zufolge probate Mittel im Umgang mit Comics, sondern notwendig sei „der kompetente Leser, der selbst fähig und bereit ist, kritisch mit Comics umzugehen, der sensibel für ihre Qualitäten, für Experimente, offen für Ungewohntes ist und – vergleichend – werten und urteilen kann. Auch Comic-Lesen will gelernt sein.“ Das System von Angebot und Nachfrage bestimme auch den Comic-Markt. Je kritischer, je anspruchsvoller das Publikum ist, desto vielfältiger, desto qualitätsvoller werde auch das Angebot sein. Grünewalds konkrete Utopie: „Kompetenz schließt das Wissen um die Erzählmöglichkeiten des Prinzips Bildgeschichte ein, ihre ‚Sprache’, ihren Herstellungsprozess, ihre Vielfalt.“ Erst die Kenntnis vieler unterschiedlicher Beispiele ermögliche es, über den Vergleich allmählich auch kritisch wertende Kompetenz auszubilden, den eigenen Anspruch zu steigern, auf Qualität zu achten. Und: „Der ‚kompetente’ Leser ist ein ‚Lernprodukt’, und dieses Lernen beginnt mit den ersten Bildgeschichten. So ist es sinnvoll und legitim, Kinder im Umgang mit Bildgeschichten zu unterstützen, ihnen ein breites, vielfältiges Angebot zugänglich zu machen, mit ihnen gemeinsam zu lesen und über die Lektüre zu sprechen, ihnen Möglichkeiten des spielerischen Umgangs, die Verknüpfung von Rezeption und eigener ästhetischer Praxis zu eröffnen.“

 

Einer der besten Kinder-Comics der Comic-Geschichte: Bill Wattersons 1985 erstmals erschienener Zeitungsstrip "Calvin & Hobbes", der 1990 auf Vorschlag des COMICOSKOP-Herausgebers Martin Frenzel, damals Mitglied der Erlanger Jury, den Max-und-Moritz-Preis erhielt. Bild: (c) Bill Watterson & Krüger Verlag

Der Band „Comics“, erschienen in der Reihe „Grundlagen der Medienkommunikation“, 2000 beim Tübinger Verlag Niemeyer, schlägt in die gleiche Kerbe, entwickelt den Grundgedanken des Prinzips Bildgeschichte anhand der Marksteine „Theaterspiel auf Papier“, „Die narrative Bildfolge“ und „Eine eigenständige Kunstform“ weiter – und schlägt den Bogen Comic-Forschung und Comic-Kritik. Nach Grünewald sollte Comic-Kritik dazu beitragen, den kulturellen Stellenwert der Comics zu bestimmen. 

Zahlreich sind überdies Grünewalds Aufsätze und Vorträge zum Thema Comic – sei es zur Theorie (Prinzip Bildgeschichte), zur Comic-Bewusstseinslage der Nation („Schneckentempo – Zum Stand der kulturellen Akzeptanz des Prinzips Bildgeschichte“) oder zu konkreten Einzelanalysen (über Hugo Pratts Corto Maltese, Hergés Tim und Struppi-Jungentraum oder Quinos Mafalda, über Miguelanxo Prados Ardelen, Alberto Breccia oder Bildgeschichten ohne Worte/"Bilder sprechen ohne Worte." Carl Meffert/Clément Moreau).

 

2010 gab er den wegweisenden Band Struktur und Geschichte der Comics. Beiträge zur Comicforschung im Bachmann Verlag heraus.

 

Fürs E-Fachmagazin COMICOSKOP schrieb Grünewald 2016 ein lesenswertes, fundiertes Dossier über „Karl May im Comic“ – von Helmut Nickel bis Walter Neugebauer.

 

1993 erschien zudem der Band „Vom Umgang mit Papiertheater“ – einer weiteren Säulen im Grünewaldschen Forschungsuniversum.

Lesenswertes COMICOSKOP-Dossier über Karl May im Comic von Dietrich Grünewald (links: Zeichnung von Walter Neugebauer / (c) Kauka Media) / Hat auch ein Faible fürs Papiertheater: Der Kunstwisenschaftler Dietrich Grünewald

Winnetou-Originalseite Walter Neugebauers (Tusche) / (c) Kauka Media

Lesen Sie das umfassende, sehr lesenswerte COMICOSKOP-Dossier "Karl May im  Comic" aus der Feder Dietrich Grünewalds hier!

Mit der sehenswerten Comic-Ausstellung im Koblenzer Mittelrhein-Museum „Comic-Kunst. Vom Weberzyklus zum Bewegten Mann. Deutschsprachige Bildgeschichten des 20. Jahrhunderts“ sorgte er 2004 zumindest in Fachkreisen für Aufsehen.

 

Wie vielfältig sein Forschungsinteresse wirklich ist, belegt auch seine Abhandlung mit einem Rekurs auf die Bildgeschichten-Sprache des Mittelalters unter dem Titel „Sigenot – ein Daumenkino des Mittelalters?“, erschienen „Deutsche Comicforschung Bd. 2 (2006).

 

SPURENSUCHE: Trug zahlreiche Aufsätze zum Jahrbuch Deutsche Comicforschung bei (hrsg. von Eckart Sackmann, rechts außen im Bild) - der Bildgeschichten-Forscher Dietrich Grünewald. Cover: Cover: (c) comicplus Verlag Sackmann & Hörndl, Leipzig // Foto: (s) Siegfried Scholz

Jüngster Coup: Die Entdeckung der korrekten Originale der verschollen geglaubten, wenig bekannten Bildgeschichte Friedrich Schillers "Aventuren des neuen Telemachs" in US-Archiven (siehe Deutsche Comicforschung 2016). Dieser frühe Schiller-„Comic“ erscheint – neu herausgegeben von Dietrich Grünewald – unter dem Titel AVANTUREN DES NEUEN TELEMACHS: Eine Bildgeschichte von 1786 in Bälde im Berliner Christian Bachmann Verlag, der in Sachen Comicforschungs-Editionen die inzwischen wichtigste Anlaufstelle im deutschen Sprachbereich darstellt. Grünewald fand heraus, dass die Originale des raren Schillerschen Ur-Comics in der Beinecke Rare Book & Manuscript Library New Haven lagern, in der dortigen William A. Speck Collection of Goetheana.

Entdeckung: Dietrich Grünewald tat Originale der allgemein wenig bekannten Bildergeschichte des deutschen Dichters Friedrich Schiller auf und trat damit den Beweis an, dass die Deutschen nicht nur Volk der Dichter und Denker, sondern auch der Bildgeschichten-Erzähler sind...  Eine Neuedition des Schillerschen  Telemach-Frühcomics soll in Bälde - herausgegeben von Dietrich Grünewald - beim rührigen Christian Bachmann Verlag erfolgen.

2016 gab Dietrich Grünewald einen sehr lesens- und empfehlenswerten Tagungsband zum Thema „Visuelle Satire. Deutschland im Spiegel politisch-satirischer Karikaturen und Bildergeschichte“ heraus – und trug zu diesem Wilhelm Busch-Jubiläumskompendium („150 Jahre Max und Moritz“) selbst einen Aufsatz bei, über Entlarvung durch Verlarvung. Metaphorik der visuellen Satire. Überhaupt treibt ihn seit vielen Jahren nun schon die Bildsatire als spöttisch-kritischer Seismograph des Zeitgeschehens um.

Bildsatire als Seismograph des Politischen: Satirische Karikaturen und Bildgeschichten sind ein zentrales Forschungsfeld Dietrich Grünewalds / Cover: (c) Christian Bachmann Verlag, Berlin

Eins seiner Forschungsvorhaben ist es, die Geschichte und vielfältigen Erscheinungsformen der Bildgeschichten/Comics in der NS-Zeit 1933-1945 aufzuarbeiten. Ziel des Forschungsvorhabens ist - als Baustein einer Geschichte der Deutschen Bildgeschichte - im ersten Schritt Arbeiten deutscher Künstlerinnen und Künstler, die zwischen 1933 und 1945 entstanden sind, ausfindig zu machen, zusammenzustellen und zu systematisieren, die dann im zweiten Schritt untersucht werden hinsichtlich Ästhetik, Erzählstrategie, Inhalten/ Intentionen, Medien - also im gesellschaftlichen, politischen, kulturellen Kontext der Zeit. 

Initiator und Gründer der deutschen Gesellschaft für Comicforschung (ComFor): Professor Dr. Dietrich Grünewald, der von 2005 bis 2013 als deren Erster Vorsitzender eine Ära prägte und sich stets - im positiven Sinne - als Catch-all-Vorsitzender verstand.

Geboren wurde Dietrich Grünewald am 14. Dezember 1947 in Frankenberg/Eder (Hessen).

 

Er studierte Kunsterziehung/Kunstgeschichte und Germanistik mit Blick aufs Lehramt der Haupt- und Realschule in den Jahren 1969 bis 1972, promovierte 1976 (seine voluminöse Doktorarbeit ging über die Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“/Roter Pfeffer 1928/1933), 1977 folgte die 2. Lehramtsprüfung, 1978 (bis 1986) begann seine Laufbahn als wissenschaftlicher Assistent im Fach Kunst an der Universität Dortmund, 1980 folgte seine Habilitation (Kunst und ihre Didaktik), von 1977 an bis 1990 war er auch als Lehrbeauftragter am Frankfurter Institut für Jugendbuchforschung der Universität Frankfurt a.M. tätig (für den Bereich Comic) in der Zeit des legendären Leiters Klaus Doderer; sechs Jahre später, 1986, wurde er zunächst apl. Professor an der Universität Dortmund am dortigen Institut für Kunst und ihre Didaktik. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern. 

Zwei Comicforscher unter sich: Dietrich Grünewald (re) mit David A. Beronä, mit dem ihn die Liebe vor allem zu textfreien Bildgeschichten verbindet, auf dem ComicCon von  San Diego (Kalifornien, USA) 2011. Foto: Privat

Ahnvater der  Comics: Wilhelm Busch, daneben: Jubiläums-Briefmarke der Deutschen Bundespost zum 150jährigen der Bildgeschichte "Max und Moritz" (1865-2015)

Von 1995 bis 2013 hatte Grünewald bis zu seiner Emeritierung einen Lehrstuhl für Kunstwissenschaft / Kunstdidaktik an der Universität Koblenz-Landau inne, ist dort derzeit obendrein Dekan des Fachbereichs.

 

Von 1986 bis 1990 war Dietrich Grünewald auch Bundesvorsitzender des BDK (Bund Deutscher Kunsterzieher), von 1991 und bis 2013  überdies Mitherausgeber der Zeitschrift Kunst + Unterricht. Und er ist bis heute Autor zahlreicher fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Publikationen.

 

Von 2005 bis 2013 amtierte Dietrich Grünewald acht Jahre lang als 1. Vorsitzender der ComFor (Gesellschaft für Comicforschung), deren Gründung er 2004/05 initiierte. Mehr noch: Er war der Spiritus Rector der ComFor, der die Vereinigung zu dem machte, was sie heute ist: Eine starke Lobby der deutschsprachigen Comicforschung. Als Präsident der deutschsprachigen Comicforscherinnen und Comicforscher setzte er auch auf diesem Gebiet als Pionier brachliegenden Neulands Maßstäbe und bewies innerhalb der Vereinigung hervorragende integrative Fähigkeiten. Keine Frage: So kämpferisch er fürs Prinzip Bildgeschichte eintrat, so sehr betätigte er sich nach innen als Brückenbauer. "Versöhnen statt spalten", lautete sein Credo. Seit seiner Initiative zur Gründung der Gesellschaft für Comicforschung schuf er ein Netzwerk, das inzwischen zu einer maßgeblichen pressure group an den deutschsprachigen Universitäten avancierte und nicht zuletzt durch alljährliche Herbsttagungen an einer Alma Mater Akzente setzt.

Weniger bekannt als der Forscher, Bildgeschichten-Theoretiker, Buchautor, Professor und ComFor-Vorsitzende ist der Künstler Dietrich Grünewald: So genoss er eine künstlerische Ausbildung im Kontext des Kunsterzieherstudiums (Malerei, Graphik) und eine Ausbildung im Zeichnen (akademischer Zeichenlehrer war Walter Kroll, Universität Gießen), der künstlerische Schwerpunkt liegt bei der Serigraphie. Grünewald ist zudem Mitglied im Oberhessischen Künstlerbund seit 22 Jahren, 1985, darüber hinaus war er von 1986-1992 erster Vorsitzender Mitglied der Produzentengalerie 42, Gießen. Zudem firmiert er als Mitglied der Künstlergruppe Cumulus. Neben OKB-Ausstellungen Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligung u.a. in Bonn, Bad Nauheim, Dortmund, Frankfurt/M., Gießen, Kleinsassen, Köln, Mannheim, Paris, Wetzlar. Sein eigenes künstlerisches Credo umreißt Grünewald so: "Meine Kunst ist eine erzählende Kunst. Meine Einzelbilder und Bildfolgen bilden eine Einheit aus überlegter Konzeption und prozessualen, intuitiv-spontanen Elementen. Sie verbinden Zeichnerisch-Graphisches mit Malerischem, Farbe mit Linie, Gegenständliches mit Ungegenständlichem. Das Inhaltliche soll sich nicht nur im Motiv, sondern auch in der Gestaltung, in Form, Farbe, Struktur spiegeln. Oft binde ich Text in das Bildgefüge als graphisches Element ein. Ich möchte den Betrachter zum genaueren Betrachten, zum Innehalten, Vergleichen, zum Bild-Lesen provozieren. Die Bilder sollen ihn anregen, sich aus dem Angebot eine Geschichte assoziativ zu entwickeln, wobei das Gezeigte vielfach vom Ab- und Vorstellungsbild zum Sinnbild wird, das sich seiner historischen Einbindung nachvollziehbar bewusst ist."

Unbekannter Zeitungscomic: Dietrich Grünewald zeichnete eine Comic-Serie namens "Sachen zum Lachen" /  "Zirkus" von 1980-82 in der "Gießener Allgemeinen"... (c) Dietrich Grünewald & Gießener Allgemeine

Wenig bekannt ist auch, dass Dietrich Grünewald selber einmal einen Zeitungscomic veröffentlicht hat: Er selbst nennt das bescheiden eine "kleinen Comicserie", aber die Zeichnungen zeigen, dass da auch ein Bildgeschichten-Macher (nicht nur ein Theorektiker) am Werk ist... Erschienen die "Sachen zum Lachen" resp. "Zirkus" in der Zeit zwischen 1980 bis 1982, unregelmäßig auf der "Bunten Seite" der "Gießener Allgemeinen".

Der andere Dietrich Grünewald: SACHEN ZUM LACHEN - Zirkus-Comicstrip aus den frühen 1980er Jahren... (c) Dietrich Grünewald & Gießener Allgemeine

Dass er es schaffte, Gegenstand einer Hamburger Ausstellung über diverse Comic-Akteure zu werden, hat viel mit seiner Fähigkeit zu tun, andere für die Sache des grafischen Erzählens zu begeistern – und alle dabei mitzunehmen… „Comicleben – Comiclife" hieß die Schau, die Ende 2013 bis Mai 2014 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und vorher, 2012, im Berliner Museum der europäischen Kulturen zu sehen war. Die Ausstellung erlaubte einen Einblick in den Alltag von sieben Menschen, deren Leben stark von der Faszination für und der Ästhetik von den Comics geprägt ist. Der Starzeichner Marko Djurdjevic, die preisgekrönte Graphic Novel Autorin Ulli Lust, der Verleger Dirk Rehm, der Sammler René Köhler,  u.a. sowie der Comicforscher Prof. Dietrich Grünewald - sie alle eint die Leidenschaft für diese Art von Bilderzählung. Das Porträt über den renommierten Comicforscher Prof. Dietrich Grünewald stellte dabei frühe Formen der Bildgeschichte vor, die Vorbild für den klassischen amerikanischen Comic waren (von Bilderbögen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis Wilhelm Busch).

Gilt als Ur-Comic des klassischen US-Zeitungscomics: Richard Felton Outcaults "The Yellow Kid" von 1895/1896... war aber NICHT der erste Comic, wie oft und fälschlich behauptet wird..

Auch nach seiner Emeritierung befindet sich der produktive Professor für Bildgeschichte aller Art im Unruhezustand: Zwar bildet seine Familie im Wohnort bei Gießen an der Lahn einen festen, unverrückbaren Ankerpunkt. Das hindert ihn aber nicht, bundesweit Vorträge zu Comic, Cartoon und Karikatur zu halten… und jede Menge Aufsätze und Buchbeiträge zu schreiben.

 

Überdies sitzt Dietrich Grünewald in etlichen Jurys, darunter denen des renommierten Wilhelm Busch-Preises und des nicht minder vielbeachteten e.o.plauen-Preises - und hilft so, die Kunst des grafischen Erzählens zu fördern.

 

Sein Konzept des Prinzips Bildgeschichte, sein Ansatz Comics als eigenständige Kunstform zu begreifen und sein immerwährendes Plädoyer für die Notwendigkeit, den sachgemäßen Umgang mit ihr zu erlernen, sind bleibende große Verdienste Dietrich Grünewalds - im zähen Ringen um die kulturelle Akzeptanz der Bildgeschichte in Deutschland. Am Ende geht es für ihn darum, dass wir es alle schaffen, vom kritischen auch und gerade einmal zum genießerischen, spielerischen Blick auf den Comic zu kommen.

100 Comic-Charaktere in zehn verschiedenen Zeichenstilen: Der finnische Illustrator Jaakko Seppälä hat es probiert... (c) der Figuren: it's prospective owners

Was ist die deutsche Gesellschaft für Comicforschung?

Von der Koblenzer Keimzelle 2005 zum bundesweiten Comicforscher-Netzwerk

Die ComFor ist ein Meilenstein seines Lebenswerks: Initiator und Gründer der deutschen Gesellschaft für Comicforschung war 2004/05 Prof. Dr. Dietrich Grünewald. Erste Gespräche liefen dazu bereits am Rande des Erlanger Comic-Salons vom Frühsommer 2004. Grünewald lud sieben Comicforscher-Kollegen nach Koblenz ein, wo sich dieses bundesweite Netzwerk der ComicforscherInnen im deutschen Sprachbereich im Februar 2005 gründete. Die "glorreichen Acht"  bei der ComFor-Gründung - gewissermaßen die Keimzelle der ComFor - waren damals: Prof. Dr. Dietrich Grünewald, Dr. Eckart Sackmann (der sich, nach gescheiterten Vorsitz-Ambitionen, eine Zeitlang zum Stellvertreter küren ließ, ehe er einige Jahre - 2010 - später der ComFor wieder den Rücken kehrte), Ralf Palandt, der heutige COMICOSKOP-Chefredakteur und -Herausgeber Martin Frenzel, Burkhard Ihme, Dr. Bernd Dolle-Weinkauff, Prof. Dr. Günther Dammann und last but not least Heiner Jahncke. 2020 feiert die ComFor ihr fünfzehnjähriges Bestehen. Von Beginn an gehörten die inzwischen fest verankerten ComFor-Herbsttagungen zum Aushängeschild der Vereinigung. Jede Tagung findet an einer Universität im deutschen Sprachbereich statt und widmet sich einem bestimmten Thema. 

Die Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) avancierte in den letzten Jahren zu der Lobby für die deutschsprachige Comicforschung. Nach der eigentlichen Gründung vom 11. Februar 2005 in Koblenz wandelte sich die ComFor am 11. April 2014 in Frankfurt am Main formell zum eingetragenen Verein.

Dietrich Grünewald, Gründervater der ComFor und deren 1. Gründungsvorsitzender, prägte von 2005 bis 2013 eine acht Jahre währende Ära - und hinterließ große Fußstapfen. Sein Nachfolger ist seither der Freiburger Medienwissenschaftler Prof. Dr. Stephan Packard. Zweck der ComFor ist es, Wissenschaft und Forschung in Sachen Comic im deutschsprachigen Raum in allen Bereichen zu fördern und zu vernetzen. Zudem führt die ComFor regelmäßig wissenschaftlicher Veranstaltungen durch, berät und gibt Publikationen heraus, macht Ergebnisse  der Comicforschung publik. Die ComFor ist für jedwede interdisziplinäre und internationale Art von Comicforschung offen.

Die ComFor veranstaltet Wissenschaftstagungen, die jährlich wechselnd an unterschiedlichen Universitäten ausgerichtet werden. Diese Webseite soll in einem öffentlichen Format Informationen über Calls for Papers, Konferenzen, Publikationen und Neuigkeiten aus unserem Forschungsbereich bieten. Eine Kolumne auf dem britischen
Comics Forum (comicsforum.org) fasst dies alle zwei Monate für ein internationale Publikum zusammen. Der gesellschaftsinterne ComFor-Newletter berichtet zudem in Gestalt eines Readers über aktuelle Forschungs-, Lehr- und Ausstellungsprojekte. Die ComFor unterstützt außerdem die Bonner Online-Bibliographie für Comicforschung (www.comicforschung.uni-bonn.de).

Die ComFor lädt alle, die sich wissenschaftlich mit Comics/ Bildgeschichten befassen, zur Mitarbeit und zum Beitritt ein. Anträge auf Mitgliedschaft mit kurzer Übersicht über die eigene wissenschaftliche Arbeit zu Comics bitte formlos an den Vorstand. Der ComFor-Mitgliedsbeitrag beträgt € 25,- im Jahr. Das gelungene ComFor-Logo hat Catherine Michel entworfen.

COMICOSKOP-Tipp des Monats: „AVANTUREN DES NEUEN TELEMACHS“ - neu  herausgegeben von Dietrich Grünewald

Wiederentdeckt : Die Freundesgabe AVANTUREN DES NEUEN TELEMACHS - Eine Bildgeschichte Friedrich Schillers von 1786

Herausgegeben und erläutert von Dietrich Grünewald, übersetzt von Stephan Packard; Zweisprachig Deutsch und Englisch; gebunden, ca. 100 Seiten, mit zahlreichen farbigen Abbildungen; erscheint voraussichtlich im Winter 2017/2018;

ISBN 978-3-941030-46-6, € 25,00 (inkl. gesetzl. USt.);

 

Subskriptionspreis bis 31. Oktober 2017 nur € 15,00 (inkl. gesetzl. USt.).

 

Interessenten sind gebeten, sich per Mail an bestellen@christian-bachmann.de zu wenden. Weiter zur Bestellseite.

Verlagsankündigung:

 

„Zum 30. Geburtstag seines Freundes und Gönners Christian Gottfried Körner zeichnet Friedrich Schiller, der skandalöse Dichter der Räuber, 1786 eine Bild-Humoreske. Zunächst nur als Spaß im Freundeskreis gedacht und später für verschollen gehalten, erscheinen hier erstmals Reproduktionen der unbearbeiteten Originalzeichnungen im Druck. Gegenübergestellt ist ihnen die Originalhandschrift aus der Feder des Schiller-Freundes Ludwig Ferdinand Huber. Der einfachen Lesbarkeit dient die beigegebene Transkription. Der Text erscheint hier zudem erstmals parallel in deutscher und englischer Sprache. Erläutert, in ihrem ästhetischen und in ihrem historischen Kontext verortet, wird Schillers Geschichte, in der Körner nicht nur als Herkules erscheint, sich in Ägypten mutig gefräßigen Krokodilen stellt und gar eingemacht wird, in einem ausführlichen und umfangreich bebilderten Aufsatz von Dietrich Grünewald.“

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