Szene aus dem 1. Band der Reihe "Manos Kelly"...
(c) Avant Verlag Berlin
Die Szene hat sich gewundert, dass avant damit
rauskommt, aber Johann Ulrichs Berliner Verlag für neunte Kunst hat das prima gemacht: großformatiges Hardcover, bester Druck, feinste Farben, angenehmes Lettering, alles perfekt.
Dass fast ein komplettes Album der hier abgedruckten vier Alben nur in Schwarz-Weiß wiedergegeben wird (aufgrund verschollener Farbfilme) tut dem über 200 Seiten starken Band keinen Abbruch. Im Gegenteil: Die grafische Kunst des Antonio Hernández Palacios (1921 – 2000) haut einen auch so von den Socken.
Und damit sind wir auch schon beim zentralen Punkt von
„Manos Kelly“ – das Artwork. Wer einmal ein paar Seiten von Palacios gesehen hat, vergisst diesen Zeichner nicht mehr! Sein im Ansatz fotorealistischer Stil ist unnachahmlich.
Filigranste Stricharbeit im Detail geht Hand in Hand mit atemraubenden Landschaftspanoramen.
Seine illustrative Herangehensweise meistert das historische Schaubild ebenso wie die elegant komponierte Aktionssequenz.
Manchmal strahlen seine Gesichter wie mit Öl eingerieben, und manchmal überzeichnet Palacios eine Miene zur Fratze. Doch diese merkwürdigen „Ausreißer“ verleihen dem Werk eine Irritation, die es nicht in Schönheit erstarren lässt.
Neugierig bis gierig blättert man sich durch diese
Seiten, auf Entdeckungssuche nach herrlichsten Nuancen. Das Staunen über Palacios‘ Meisterschaft wird den Leser niemals verlassen.
Leider hat der Illustrator seine Kelly-Abenteuer auch
selbst getextet! Das gerät ihm keineswegs miserabel, aber Palacios kann keine dramaturgischen Bögen spannen. Die Geschichten ruckeln unbalanciert ihres Weges, oft nur seitenlange Reisebeschreibungen oder nacherzählte historische Episoden.Das hat auch seinen eigenen Charme der Langsamkeit und Akkuratesse, aber BLUEBERRY und COMANCHE isses nicht.
Auch sind Charakterzeichnungen nicht die Stärke des
fleißigen Spaniers (Palacios soll angeblich 21 Alben der Western-Konkurrenzserie „Mac Coy“ illustriert haben – Madre de Dios!).
Hauptfigur Manos Kelly bleibt eine blutleere Chiffre. Er scheint ein hilfsbereiter Bursche im Wilden Westen
zu sein. Naja…
Dafür sind die Kolorierungen der Knaller! Palacios gestaltet „Manos Kelly“ im Bonbon-bunten Look der 70er Jahre. Auch grelle Mündungsblitze aus Pistolen, bunte Rauchwölkchen und vielfarbige Lautmalereien machen diese Serie zum Pop-Art-Western.
So etwas hat sich nur Palacios getraut.
Schönste Geschichte der vier war in meinen Augen die
letzte, „Der Cayuse-Krieg“. Ein Jammer, dass die Serie (trotz angekündigter Fortsetzung „Duell in Alta Sierra“) hier eingestellt wurde. Da war man gerade warm geworden mit Manos Kelly – und Schluss ist! Aber man könnte ja mal „Mac Coy“ neu auflegen oder das spanische Nationalepos „El Cid“ – hat er ja alles gezeichnet.
So dick ham‘s die Spanier ja nicht mit verehrungswerten
Comiczeichnern, frech gesagt. Esteban Maroto? Carlos Giménez? Enric Sió? Fernando Fernández?
Jordi Bernet? Hat doch schon kopiert. Carlos Ezquerra? Hmmph. José Gonzáles? King of Pin-Up. Francisco Ibánez? Komiker. Ramon Torrents? Och, nö. Jesús Redondo?
Hat ja nicht mal nen Akzent auf dem Nachnamen. Vicente Segrelles? Der Kitsch-Frazetta. Miguelanxo Prado? Meinetwegen.
Natürlich gibt es Dutzende hier völlig unbekannter „Nachwuchs“-Talente, im Undergroundbereich möchte ich den genialen Pedro Vera nominieren und hochleben lassen… Aber anderes Thema!
(tic)
Tillmann Courth ist Comicoskop-Redakteur der ersten Stunde, lebt als Hausfrau und Mutter in Köln. Spezialist für E.C.-Comics, US-Comic-Kultur der 1940er und 1950er, aber auch Comics der 1970er. Neben dem COMICOSKOP (www.comicoskop.com oder www.comicoskop.de) heimwerkelt er auch an u. a. seiner Spezial-Webseite Fifties Horror (www.fifties-horror.de), die ausschließlich Pre-Code-Gruselcomics der frühen 1950er Jahre gelten lässt!