Ja, es sei gleich in die Überschrift gepackt: München war famos. In meiner Funktion als Besucher und COMICOSKOP-Reporter war meine Wenigkeit rundum zufrieden. Natürlich kann ich nicht für die ausstellenden Händler und Künstler reden – gerüchtehalber war man vom (ausbleibendem) Zuschauerandrang enttäuscht. Aber sind Künstler und Händler nicht prinzipiell enttäuscht?!
In der Tat herrschte niemals Gedränge in der Alten Kongresshalle über der Wies’n. Lag es an der zeitgleich stattfindenden „German Comic Con München“ im Norden der Stadt? Das gibt womöglich noch böses Blut, denn (jetzt streuen wir ein Gerücht) ein englischer Veranstalter hat angeblich die Parole ausgegeben, alle Comickonkurrenz platt zu machen!
Whatever. Eine sichtbare Auswirkung war die Absenz von Cosplayern, deren Präsenz man an zwei Händen abzählen konnte. Hmm. Unsere COMICOSKOP-Prognose
lautet, dass diese ComicCons einem gewachsenen Festival nicht das Wasser abgraben können (so saßen im Norden denn auch nur der Renegat Rainer Engel sowie ein Kleinverlag namens „Plem Plem
Productions“). Nomen est omen?
Aber lassen wir doch das Festival bei einem Glas ALDI-Hugo Revue passieren: Ausstellungen, Vorträge, Künstler im Gespräch.
In der Stadt wahrgenommen hat der rasende COMICOSKOP-Reporter „50 Jahre deutsches MAD“ im Valentin-Karlstadt-Musäum, eine
klein-feine Schau mit Original-Art-Stichproben von jedem Star, lohnte allein schon des irren Alfred-Aufstellers von Tom Bunk wegen (Insider beachten die subtile Variante
„PotzreBIER“ auf der Trachtenhose!).
Ebenso gesichtet die Retrospektive von Horst Haitzinger im Bier- und Oktoberfestmuseum. Der Mann war, ist und bleibt Deutschlands bester politischer Karikaturist, schön, seine Kunstwerke „live“ zu sehen, brillante Tuschearbeit. Braucht den Vergleich mit amerikanischer Kunstverwandtschaft wie Jim Unger nicht zu scheuen!
Und wo wir schon mal im Brauhaus sind, bestellen wir ein halbes Dunkles und lauschen dem Vortrag von Paul Gravett über „Comics in Asien“. Ich gestehe, dass dieser Vortrag am Freitag dann auch mein Festival-Highlight war: Der quirlige Gentleman mit der Anthony-Daniels-Attitüde präsentierte seine Sicht auf Mangas und elektrisierte mit der Ankündigung, im Herbst eine Wanderausstellung (plus Buch) über Comics aus 20 asiatischen Ländern vorzustellen. „Mangasia“ wird das Unterfangen heißen. Der von Comics besessene Brite wies alle Mangamuffel wortgewandt und kunstvoll darauf hin, dass asiatische Comics seit den 1970er-Jahren die neunte Kunst mit frischen Layouts, viel (oft wortloser) Dynamik und kreativen Erzählelementen aufgeladen haben.
Dazu zeigte Gravett noch kuriose Fundstücke (französische Manga-Kopien) und wartete mit originellen Verschwörungstheorien auf (hat man in den USA
bewusst miserable Anime produziert, um die amerikanische Jugend nicht auf den asiatischen Geschmack zu bringen?). Es ist ein großer Gewinn, Gravett zuzuhören, denn er predigt eine ewige Wahrheit:
Seid offen für jede Form von Kunst, macht euch selber ein Bild, entdeckt die Welt der Comics in den entlegensten Ecken der Welt.
Pause im Biermuseum und Gelegenheit, mal auszutreten. Schreck auf dem Herrenklo: Die Urinaleinlagematten im Pissoir sind von der Firma „UriWave“ – das mutet doch unangenehm nach 1970er Jahre-Katastrophenfilm an! Nach uns die Sintflut … und sie ist … gelb. Entschuldigung.
Der anschließende Talk mit Tom Bunk offenbarte jetzt nichts direkt Neues (der Zeichner war immerhin schon Ehrengast zum 2015er-Festival), dennoch immer eine Freude, dieses Genie bestaunen zu dürfen. Bunk schaut aus wie ein Zauberer aus den „Herr der Ringe“-Spin-offs, seine Kunst hingegen ist keine Hexerei, sondern das Ergebnis eines täglichen Arbeitspensums von 12 bis 20 Uhr. Seine gefeierten Wimmelbilder entstehen in einer Collagetechnik aus Dutzenden von Schnipseln und „dauern ewig“, wobei ewig schon mal zwei Monate bedeuten kann.
Dem COMICOSKOP-Reporter war nicht bekannt, dass Bunk seinerzeit Art Spiegelman beim Jahrhundertwerk MAUS geholfen hat. Bunk wies ihn auf fehlerhafte Töne in der ersten deutschen Übersetzung hin, woraufhin er mit Spiegelman eine neue Rohfassung erstellte, die die Basis für den nächsten Wurf wurde.
Am Festivalort Kongresshalle waren diesmal fast alle sonstigen Veranstaltungen angesetzt. Zum Beispiel ein Cross-Cult-Talk mit den GUNG HO-Machern Thomas von Kummant (Zeichnungen) und Benjamin von Eckartsberg (Text). Anlässlich des Erscheinens von Band 3 („Sexy Beast“) versprachen beide, mit dem fünften Band in absehbarer Zeit abzuschließen. Na gut, auch das wird noch vier Jahre dauern … Immer noch besser als DAS UPGRADE, wo wir rechnerisch im Jahre 2025 landen (optimistisch geschätzt, ich sach, die kriegen das nie fertig).
Fun-Facts und Fan-Facts für GUNG HO-Freunde: von Kummants Töchter kommen im Comic vor, und die französische Übersetzung benutzt immer dasselbe
Schimpfwort, obwohl sich Autor von Eckartsberg größte Mühe gibt, ein Spektrum deutscher Flüche aufzuspannen.
Äußerst angesagt und mega-retroschick sind die Alben von Olivier Schwartz (SPIROU), der auf dem Festival präsent war und einen Talk mit Ulrich Pröfrock absolvierte. Schwartz schaut aus wie eine braungebrannte, schwarzbärtige Version seines Spirou und saß mit schüchtern im Schoß gefalteten Händen auf der Bühne. Sein erster Einfluss war Sempé, seine ersten Arbeiten Kinderbücher. Für die Techniker: Schwartz arbeitet heute noch klassisch mit Bleistift und Tusche, nix Computer.
Am Fenster zum Biergarten schiebt derweil ein Bajuwar in voller Trachtenmontur einen Kinderwagen vorüber. Diese Münchner sind coole Säue, auch das macht für mich den Schauwert dieses Festivals aus.
Die Kontroverse um „Gringos Locos“ (die Beschreibung einer Reise durch Amerika, unternommen von Jijé, Franquin und
Morris) hat Schwartz vorübergehend in eine Depression gestürzt, da er sich dem Projekt mit Leib und Seele verschrieben hatte („Als sei ich im Kofferraum durch die
USA mitgefahren“). Die Witwen und Erben von Franquin und Jijé erhoben jedoch vehement Einspruch gegenüber der Schilderung ihrer Gatten und Väter und veröffentlichten Gegendarstellungen.
Angedacht ist trotzdem eine Fortsetzung dieses exotischen Kapitels frankobelgischer Comicgeschichte, vielleicht auch konzentriert auf die sechs
Jahre, die Morris noch in den USA blieb – oder eine Episode über Goscinnys Versuch, in Amerika Fuß zu fassen (s. hierzu auch unseren COMICOSKOP-Scoop „Asterix in New York“ auf dieser
Webseite).
Prominent besetzt war in Saal 1 eine Runde zu „50 Jahre deutsches MAD“. Auf dem Podium versammelten sich Ivica Astalos, Martin Frei, Dieter Stein, Oliver Naatz, Tom Bunk, Peter Kuper und Redakteur Matthias Ulinski. Zeit für eine Zelebration! Jeder der Beteiligten wartete mit einer kauzigen Anekdote auf, Kuper toppte das mit einer Kurzpräsentation seiner „Spion vs. Spion“-Arbeit und betonte die Relevanz von MAD in heutiger Zeit: „Politics and humor come together in MAD“. Der Trump-Effekt habe die Abozahl der US-Ausgabe um 20.000 erhöht! Auch das deutsche Trump-Special erweist sich mit über 100.000 Heften als Superseller.
Ulinski und sein deutsches Team zielen weiterhin auf eine junge, männliche Leserschaft „der 10. Klasse“. Auch wenn die Satirekonkurrenz auf allen Kanälen zunehme, sei es weiterhin MADs Aufgabe, ein jugendliches Publikum an die Mechanismen der Ironie heranzuführen. Hört, hört!
An dieser Stelle ein Lob den wackeren Ausstellern, den großen und den kleinen, die uns ihre Produkte präsentieren. Was wären wir ohne ihre Tipps und Empfehlungen?! Hervorheben möchte ich Sebastian Broskwa aus Wien, der für Graphic Novels brennt und sich spannende Bücher aus aller Welt kommen lässt und sie an den interessierten Leser zu bringen versucht. Sein Comicladen „Pictopia“ ist mit einem geräumigen Stand vor der Bühne vertreten.
Nach kurzem Gespräch hat man schon drei Bücher auf dem Arm, eins abgefahrener und obskurer als das andere – dieser Mensch ist Gold wert!
Mein Budget erlaubt fürs Erste nur den Kauf (und ich ergattere das letzte Exemplar) der momentan heißesten Autobio-Graphic-Novel aus USA: „My
Favorite Thing Is Monsters“. Ein Brikett expressiver Bleistiftskizzen auf liniertem Papier, spärlich koloriert. Nicht jedermanns Ding, aber allein die vielen eingeschobenen, fiktiven
Gruselcomic-Cover sind natürlich voll meins.
Was fehlt noch? Die Ausstellungen in der Halle, natürlich! Da fand sich ein kleiner Raum mit entzückenden
Comicbriefmarken, ein Raum mit Dagoberts güldnem Bällebad als Kinderspielecke, dann schöne Originale vom bereits erwähnten Spirou-Zeichner Olivier
Schwartz sowie Blätter von Isabel Kreitz (die durch erschütternd feinziselierten Bleistiftstrich bestechen - von "Das Leben ist eine Currywurst" über "Haarmann" bis "Rohrkrepierer" mitsamt ihren Erich Kästner-Adaptionen). Ganz hinten durch eine beachtliche Ralf-König-Retro (Titel der Schau: "Der König"!), die das Schaffen des Meisters der Komik über Jahrzehnte spannt. Herrlichstes Exponat: eine versaute Schülerfantasie des noch sehr jungen
Künstlers. Am meisten gestaunt wurde hier über das akkurate Maschinen-Lettering (s. unten)!
Auf der Empore im ersten Stock hängte man noch Blätter von Ulrich Oesterle sowie Auszüge aus Nils Oskamps antifaschistischer Graphic Novel „Drei Steine“.
Vieles habe ich jetzt noch vergessen, was ich nicht wahrnehmen konnte oder wollte (zwinker): Terry Moore, die Dänen, Denis Kitchen, Eternauta, Clerisse, Klaus Voormann, Signieraudienz bei Hermann, Sabrina Schmatz, Sir Gawein und der grüne Ritter, Ben Stenbeck, Hurzlmeier (leider) – und Moga Mobo (die ein großartiges, 100 Seiten starkes Heft über deutsche Comics
gratis verteilten)!
Mein COMICOSKOP-Bericht vom vorigen Mal (Munchner Comicfestival 2015) beklagte sich bitterlich über das Ausbleiben von
Bildeinspielungen, obwohl in allen Räumlichkeiten Beamer verfügbar waren – 2017 sah die Situation anders aus: Jede Veranstaltung war zufriedenstellend „illustriert“, offenbar hat man auf
(unsere?) COMICOSKOP-Beschwerde reagiert. Na, bitte, so isses professionell.
Auch die Verleihung des Peng-Preises am Samstag, die 2015 auf der großen Bühne des Amerikahauses arg dilettantisch rüberkam, entfaltete in der Augustiner-Braustube unerwartet hemdsärmeligen Charme und ging unaufgeregt über die Bühne. Denn wenn Festivalchef Heiner Lünstedt in den Smoking steigt, dann wird es ernst. Doch seine Moderation blieb locker und humorvoll, schnell präsentierte und verliehene Preise machten die Chose kurzweilig genug.
Großer Jubel und Standing Ovations, als der Gewinner für den „besten deutschsprachigen Comic“
bekannt wird. Es ist FIL. Fil Tägert, endlich mal, nach all den Jahren. Man hatte es kaum noch glauben wollen. Und genau darauf hebt Fil in seiner Preisrede auch
selbstironisch ab: „Naja, ihr habt alle gedacht, ach, der Fil, das ist der sympathische Loser, der gewinnt nie was. Fil ist der ohne Preis. Das ist jetzt vorbei – ihr Arschlöcher!“
Typisch Fil. Ist ja eh einer meiner Lieblinge. Der komischste Mann in Deutschlands Comicszene, nicht nur wegen seiner begnadeten Performances (die am Vorabend hatte ich glatt übersehen und verpasst, kreisch, aber er kommt ja wieder).
Heiner Lünstedt greift den Ball auf und beschließt die Peng-Preisverleihung mit einem saloppen „Das war der Peng-Preis, es ist vorbei, ihr Arschlöcher!“ Knackiger kann man eine Show nicht beenden!
Kritisiert wurde bloß allenthalben die (den Abend musikalisch einrahmende) japanisch-bayerische Band SASEBO, die krachig und falsch
ausgesteuert klang. Alles in allem trotzdem ein netter Event mit Bierausschank! Selber schuld, wer sich keins holte …
Auf die Gefahr hin, unkritisch zu wirken, hat München 2017 alles richtig gemacht: Nicht zu wenig, nicht zu viel, kein Stress. Das waren Comicferien in Bayern!
Der Blick richtet sich jetzt auf den Internationalen Erlanger Salon 2018, der wegen Renovierung des Rathauses angeblich in Zelte verlagert wird. Das kann eine Chance sein, ein wenig abzuspecken, denn 2016 hat mich der Salon überfordert. Wahrscheinlich fehlt aber bloß ein Biergarten vor der Türe …
TIC
Schreibt nun schon zum zweiten Mal über Münchner Comic-Festival: COMICOSKOP-Redakteur Tillmann Courth, ausgewiesener Kenner der US-Oldies der 1940er und 1950er, Spezialist für ausgefallene US History und erklärter Liebhaber des Horrorcomic-Genres (E.C. Comics & Co.)...
Naturgemäß viel gefragt, konnten wir den Leiter des Münchner Comic-Festivals nur zur Mittagspause für ein COMICOSKOP-Exklusivinterview eingefangen werden. Dafür nahm er sich dann ein wenig länger Zeit für einen Gedanken-Austausch mit uns…COMICOSKOP-Redakteur Hanspeter Reiter sprach mit dem Festival-Leiter Heiner Lünstedt über Deutschlands zweitgrößte Comic-Festival, das 1985, vor 32 Jahren, seinen Anfang nahm.
COMICOSKOP: Das Comic-Festival München existiert jetzt mit kleinen Unterbrechungen seit 32 Jahren, seit der 1985er Premiere im Gasteig, ist jeweils zwischen den Erlangen-Jahren, keineswegs nur Lückenfüller, schon seit Jahren etabliert: Wie zufrieden bist du denn dieses Jahr?
Heiner Lünstedt: Von der Tendenz her werden wir einen Ticken mehr Besucher haben, das ist erfreulich. Wir sind dieses Mal ja vom Fronleichnam-Wochenende weggegangen, zu Christi Himmelfahrt – und haben das auch frühzeitig kommuniziert, gleich beim Erlanger Comic-Salon vergangenes Jahr. Trotzdem findet nun parallel eine Comic-Con statt. Eine Kooperation hätte sich angeboten, hat sich aber nicht ergeben. Wobei, dort findet sich ein völlig anderes Publikum … Mit Erlangen dagegen sind wir immer im Gespräch. München gibt es ja auch schon seit einem Jahr nach dem Start in Erlangen 1984, wenn wir die Vorläufer dazu rechnen.
COMICOSKOP: Das Konzept ist ja durchaus vergleichbar: Verkaufs-Messe mit Ausstellern, Themen- und Künstler-Ausstellungen, Vorträge
– in einer interessanten Location …
Heiner Lünstedt: Tatsächlich haben wir auch 2017 wieder eine ganze Reihe von Highlights zusammen gebracht, auch andernorts in München, etwa 50 Jahre Deutsches MAD im Valentin-Karlstadt-Musäum – oder die Events im Oktoberfest- und Bier-Museum. Die Alte Kongresshalle als zentraler Ort gehört der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, da ist quasi auch das Augustiner-Bräu “im Boot”, mit der angegliederten Wirtschaft. Hier haben wir uns etablieren können – und der gute Kontakt hat zum Beispiel dazu geführt, dass wir dieses Jahr schon ab Montag haben aufbauen können, das entspannt natürlich die Situation …
COMICOSKOP: Apropos, es gibt ja diesmal wieder einige spannende Ausstellungen... und einen Lønderschwerpunkt
Dønemark...?!
Heiner Lünstedt: Ja, vor allem die Dänen sind sehr engagiert und motiviert, Ingo Milton vor allem [Anm.: Ist auch bei Comicoskop als Redakteur im Boot, unser COMICOSKOP-Logo stammt von ihm! HPR]. Dieser dønische Künstler-Kreis versteht es, im Heimatland Fördertöpfe zu öffnen und so international zu wirken. Und jetzt haben sie sogar angeboten, deutsche Comic-Künstler gratis zum Kopenhagen-Event ART BUBBLE im November 2017 einzuladen! Und sogar die SZ hat extra auf die Dänen hingewiesen [http://www.sueddeutsche.de/muenchen/comicfestival-das-leben-gezeichnet-1.3520696]...
Mit der Ausstellung “Comic auf Briefmarken” ist uns schon ein besonderes Schmankerl gelungen, mit Wolf Dietrich Schramm als Kurator
und Gestalter: Ich selbst habe auch einige Stücke beigetragen, die ich in meiner Sammlung entdeckt habe … [Anm.: In Kürze erscheint ein Artikel der Comicoskop-Redaktion übers
Comic-Sammeln in “Wertvolles Sammeln” im Schwaneberger-Verlag, in dem u.a. die MICHEL-Briefmarken Kataloge herausgegeben werden.]
COMICOSKOP: Ich hätte mir ein Verzeichnis der Aussteller gewünscht, zumindest digital im Web?!
Heiner Lünstedt: Nun, das haben wir uns gespart – die Menschen sollen neugierig bleiben und vor Ort erleben, wer alles da ist. Künstler natürlich, viele deutsche wie auch internationale [siehe http://2017.comicfestival-muenchen.de/kuenstler-2/]. Und Verlage, vorneweg der Hamburger Carlsen Verlag, mit viel Angebot zum 50-jährigen “Carlsen Comic”-Jubilaum, gestartet 1967 mit den “Tim- und Struppi"-Büchern” ... Fast alle sind gekommen, wenige Ausnahmen, etwa: Tokyopop, Splitter, Mosaik. [Anmerkung: Dazu stoßen sollte z.B. auch Ameet (Lego/Starwars…) Dabei waren neben Carlsen auch Avant, Cross-Cult, Edition Moderne, Jacoby & Stuart, Knesebeck, Panini, Reprodukt, Salleck Publications, Schreiber & Leser und weitere …] “Stattdessen” gab es einen Signierplan: Für viele Besucher ist es offenbar DER Grund, zum Comic-Festival zu kommen, dass sie zeitweise sogar in langen Schlangen warten, um die x-te Signatur von ihren Lieblingskünstlern erhalten – und / oder ein weiteres Original. [Was übrigens eine wichtige Einkommensquelle darstellt. Bei einem Podium zu “Carlsen 50” kam u.a. die Frage auf, welche deutschen Comic-Zeichner heutiger Generation denn tatsächlich “davon” leben könnten: Uli Oesterle und Flix fiel dem Podium dazu ein …]
COMICOSKOP: Beim ersten Durchflanieren der Hallen fiel uns auf, dass Graphic-Novel nach wie vor ein Thema zu sein scheint: Zahlen für Deutschland zu kriegen, ist kaum möglich, die Verlage halten sich zurück. Und in Diskussionen zu den Comic-Genres ist jenes ja schon fast für tot erklärt worden, jedenfalls im deutschen Markt: Wie schätzt Du das ein?
Der gebürtige Hamburger und Wahl-Münchner HEINER LÜNSTEDT ist seit 2011 einer von zwei Festival-Leitern des Münchner Comic-Festivals (2017 war dies Rainer Schneider, 2015 Wolfgang J. Fuchs) und die treibende Kraft desselben: Er wurde 1960 in Hamburg geboren. Er ist u.a. Autor der von Alfred Neuwald gezeichnete Comicserie Die Weltenbummler (Carlsen). Überdies wagte er sich gemeinsam mit Zeichnerin Ingrid Sabisch an eine Comic-Biografie über Willy Brandt heran - 2013 zu dessen 100. Geburtstag. Zwei Jahre später realisierte Lünstedt auch eine Comic-Biographie über Sophie Scholl. Als Comic-Fachjournalist schreibt er u. a. für die Süddeutsche Zeitung, Alfonz – Der Comicreporter, Die Sprechblase und Comixene. Er betreibt seit 2000 die Webseite www.highlightzone.de, auf der er über neue Comics, Filme, DVDs, Bücher und CDs berichtet. Darüber hinaus organisiert er im Münchner Werkstattkino die Reihe „Comic Cafe“. Eigentlich ist er gelernter und studierter Bauigenieur, war dreizehn Jahre lang im Forschungs- und Technologiezentrum der Bundesbahndirektion in München tätig, zuletzt als Technischer Bundesbahnamtsrat." KMF
Heiner Lünstedt: Tja, da müsste mancher Verlag schlicht Durchhalte-Vermögen zeigen, oder? Imerhin gibt es ja einige, die sich Graphic-Novels weiter zutrauen, schau Dir das Programm von Knesebeck an zum Beispiel. Und statt zu klagen, dass andere den einen oder anderen Zeichner resp. Titel weggeschnappt haben, lieber zugreifen: Der Markt gäbe genügend her … Einen echten Überblick zu gewinnen, über den deutschen Markt, ist allerdings tatsächlich schwer!
COMICOSKOP: “Schon während dem Festival ist vor dem Festival”: Wie wird es weiter gehen?
Heiner Lünstedt: Natürlich habe ich für 2019 wieder das nächste Comic-Festival im Kopf – gerne von und mit mir, wenn die Gesundheit mitspielt. Auch Jubiläen wird es geben – und Peng!-Preise werden wir natürlich auch wieder verleihen…
COMICOSKOP: Nun, dann freuen wir uns darauf! Apropos Jubiläen, Erlangen geht langsam auf die 20 zu, 2022 wird der 20. Comic-Salon statt finden. Und Comicoskop-Gründer und –Chefredakteur Martin Frenzel hat schon länger einen Memorial-Band zur Geschichte des frünkischen Comic-Festivals Erlangen im Visier: Wäre es näher liegend, die Festival-Geschichte Erlangens und Münchens in Kombination zu präsentieren?
Heiner Lünstedt: Nun, Sammelbände haben immer ein gewisses Etwas. Und vielleicht wären Verlage dann auch eher bereit, einen finanziellen Beitrag dazu zu leisten…
COMICOSKOP: Das nehmen wir mal als solidarisch-selbstlosen Appell aus berufenem Festivalleiter-Munde! Besten Dank, lieber Heiner Lünstedt, für dieses COMICOSKOP-Gespräch - und alles Gute für die Zukunft!
Das COMICOSKOP-Interview führte COMICOSKOP-Redakteur Hanspeter Reiter, seines Zeichens gebürtiger Münchner...
COMICOSKOP-Redakteur und gebürtiger Münchner Hanspeter Reiter (Comicoskop-Kürzel: HPR),
liest und liebt deutsche Comics; schreibt auf COMICOSKOP bevorzugt über Comics made in Germany,
kennt die Verlagsszene aus dem FF und den bundesdeutschen Comic-Markt...