COMICOSKOP: Es war und ist immer wieder in letzter Zeit von Dir über Dich zu lesen, unter anderem auf der Homepage des Comic-Festival München mit Blick auf 2025 ... oder der ausführlichen Artikel SZ zum 70. ... Best-of titelte beim Internationalen Comic-Salon Erlangen 2018 die Dir gewidmete Jan-Gulbransson-Ausstellung ... Im Fokus die deutschen, von 1981 an erschienen Disney-Storys, über den holländischen Oberon Verlag: Du gehörst ja neben Volker Reiche und Ulrich Schröder zu den wenigen deutschen Disney-Zeichnern weltweit: Wie war diese Zeit für Dich, im Rückblick gesehen?
JAN GULBRANSSON: Das war fast immer überlappend: Während ich schon an Comics gearbeitet habe, gab´s auch weiterhin Trickfilm-Projekte – das hat sich wechselseitig befruchtet. Gerade gestern habe mit jemand darüber geredet: Ich habe mein Leben lang weitgehend machen können, was mir Spaß gemacht hat, da hatte ich wirklich unheimlich viel freie Hand. Schon bei meinen ersten Jobs in den späten 1960ern schaffte ich es irgendwie, die entscheidenden Redakteure von ihrem Glück zu überzeugen… Das Ganze war typisch für die Zeit nach 1968 - auch die notorischen Siebzehnender waren gesprächsbereit (und keiner fragte je: Haben Sie das überhaupt gelernt?). Dürfte heute eher selten sein.
Deshalb sah ich auch keinerlei Grund, über die chronisch schlechte Bezahlung bei meinen Jobs zu lamentieren. Alles hat seinen Preis. Ich hätte ja auch in eine Werbe-Agentur gehen können, dann wäre ich heute reich, aber nur halb so glücklich...
COMICOSKOP: Gottseidank hast du Dich aber dann der Comic-Welt zugewandt – wobei man sich in Deutschland fragen muss, warum der Blick so stark gen USA geht, seien es Superhelden, seien es Disney-Zeichner wie Carl Barks - siehe auch die Micky-Maus-Enzyklopädie bei der ComicSelection -, wenn wir doch selbst mit exzellenten Illustratoren gesegnet sind?!
JAN GULBRANSSON: Danke für die Blumen, aber vor einem unerreichbaren Meister wie Carl Barks verblassen wir alle. Ich durfte ihn einmal besuchen. Davon hab ich in einem Beitrag in der Egmont-Collection erzählt... eine wundervoll schräge Geschichte, die hier zu viel Platz einnehmen würde…
EIN LEBEN ZWISCHEN DONALD DUCK, BERTI UND WILLI WURM: WER IST JAN GULBRANSSON?
Jan Gulbransson, geboren am 4. Juni 1949 in München, gilt heute als einer der drei deutschen Disney-Zeichner weltweit (neben Volker Reiche und Ulrich Schröder), lebt im Münchner Stadtteil Haidhausen. Er ist Enkel des legendären, aus Norwegen stammenden SIMPLICISSIMUS-Zeichners und Karikaturisten Olaf Gulbransson, der im Kaiserreich und der Weimarer Republik als einer Besten seiner Zunft von sich reden machte, dessen trübe Rolle in der NS-Zeit freilich kein Rumesblatt war. Jan Gulbransson studierte von 1969 bis 1971 an der Kunstakademie München. Von 1968 an schuf er zunächst Puppen für TV-Sendungen wie Spielmobil oder Die Rappelkiste. In den 70ern arbeitete für das T.C. Animations-Studio. Von 1977 bis 1979 folgte sein Kinder-Comic „Bertis Abenteuer“. 1988 ersannen Gulbransson und Gabriel Nemeth für die kurzlebige Carlsen-Zeitschrift Moxxito die Figur „Hausmeister Zwetschke“, ein rechtsradikaler Hausmeister. (Bleistift: Jan Gulbransson, Tusche: Gabriel Nemeth). Von 1981 bis 2001 zeichnete Gulbransson Duck-Comics für den Sanoma-Verlag (früher: Oberon) und seit 2012 zeichnet er für Egmont.
„Angefangen hat das 1981. Ich war zuvor in einem Zeichentrickstudio angestellt und habe mich dann selbstständig gemacht. Da rief ein Kumpel an,
der auf dem Weg zur Kinderbuchmesse in Bologna war und bei mir übernachten wollte. Er schlug, dass ich mitfahren sollte. Der holländische Disney-Verleger Oberon hatte dort einen Stand und ich
habe einen Redakteur, der gar nicht für die Disney Produkte zuständig war, eine Comicserie gezeigt, an der ich damals gerade arbeitete. Ihm gefiel meine Arbeit zwar, aber er meinte, dass ich mich
als Disney-Zeichner mich gar nicht bewerben bräuchte, weil die in Holland genug eigene Leute haben. Ich habe es trotzdem probiert und bin nach Amsterdam gefahren. Dort hatten sie doch Interesse
an meiner Comicserie und mich gefragt, ob ich auch Donald zeichnen könne.“
Seit 1989 firmiert Rob Klein häufig sein Co-Texter bei den Donald-Geschichten. Jan Gulbransson kreierte auch die speziell auf Deutschland gemünzten Comicserien Die Ducks in Deutschland und Die Ducks in den Alpen. Zwischen 1995 und 2013 gestaltete Gulbransson ebenfalls mit Gabriel Nemeth die Serie „Willi Wurm und seine Freunde“ für die Kinderzeitschrift Medizini. In den 1990ern griff Gulbransson seine Tätigkeit im Bereich Trickfilm wieder auf, war auch als Illustrator für Bücher tätig. Gulbransson arbeitete anfangs noch für den niederländischen Disney-Verlag Oberon, heute Sanoma. Seine Frühwerke der ersten zehn Oberon-Jahre sieht Gulbransson im Rückblick eher selbstkritisch. Es entstanden zahlreiche Kurzgeschichten, aber auch längere: So z.B. die Kurzstory Willkommen in Bürzelberg oder die das Abenteuerreise-Epos Der Tiger von Bengalen.
2012 zeichnete Gulbransson nach einer Idee von Ehapa-Chefredakteur Peter Höpfner den achtteiligen Zyklus Die Ducks in Deutschland, der in der wöchentlichen Micky Maus zum Voabdruck kam (dort in den Heften 35–42/2012). Zudem erschien die Deutsche Städte-Comicreihe in der BILD-Zeitung mit je einer Comicseite. In Gulbranssons Deutschland-Saga mit Donald Duck reisen die Ducks auf Schatzsuche von Berlin über Hamburg, das Ruhrgebiet, München, Frankfurt am Main, Köln, Stuttgart und Dresden wieder nach Berlin - der Text kam nicht von ihm. Die kompletten Geschichten dieser Städtereise der besonderen Entenhausen-Art wurde 2013 auch in einem Band nachgedruckt. Im Oktober 2013 folgte die Donald-Geschichte Die Ducks in den Alpen - gleichfalls aus der Feder Gulbranssons (Text: Jan Gulbransson und Michael Kompa, einem der beiden langjährigen Macher des Münchner Comic-Festivals). Der Künstler ist auch Schöpfer eigener Figuren im Entenhausen-Mikrokosmos, etwa Klementine, Habicht, Brachvogel und Geier. War sein Zeichenstil anfangs noch stark von Carl Barks, Daan Jippes und Volker Reiche geprägt, hat er im Lauf der Jahre einen ganz eigenen, markanten Gulbransson-Stil entwickelt. Jetzt, am 4. Juni 2024, wird Bayerns definitiv einziger Disney-Zeichner der Welt 75 Jahre alt.
KMF
COMICOSKOP: Apropos bekannt - einige Jahre warst du zeitgleich mit Dr. Erika Fuchs unterwegs, sie war von den frühen 1950ern bis 1988 für Egmont-Ehapa Übersetzerin (und Chefredakteurin) der westdeutschen Micky Maus, deutsche zahlreiche US-Storys ein, prägte eine ganze Generation begeisterter Micky Maus-Leser:innen – was hattest du mit ihr zu tun? Wobei du ja Deine Comics nicht nur gezeichnet, sondern auch selbst getextet hast – wenn auch meist auf Englisch, wegen Deines US-amerikanischen Co-Autors Robert Klein. Einige hast du dann selbst eingedeutscht, wie ich einem Interview des ARD- und HR-Journalisten Alex Jakubowski aus dem Jahr 2018 entnehme?!
JAN GULBRANSSON: Tatsächlich habe ich Erika Fuchs einmal getroffen. Ich habe sie in München besucht, wo sie zuletzt gelebt hat: Eine beeindruckende Person! Sie hat die Sprache und den Humor meiner ganzen Generation geprägt, wie niemand sonst. Durch ihre Initialzündung wurden im Lauf der Zeit Comics in Deutschland allgemein akzeptierter.
COMICOSKOP: Du hast ja doppeltes Talent – kannst Zeichnen, aber auch Texten: Wie ist das denn bei den Gulbranssons - liegt das Zeichnen in der Familie? Dein Großvater war Olaf der legendäre SIMPLICISSIMUS-Karikaturist und Maler im Kaiserreich und zu Zeiten der Weimarer Republik, dann leider auch in der NS-Zeit. Hat das Talent also eine Generation übersprungen, wenn Dein Vater auch Architekt war? Habe vor einigen Jahren im Käthe-Kollwitz-Museum in Köln die dortige Simplicissimus-Ausstellung besucht... In Bernried gab´s vor einigen Jahren eine Ausstellung, es existiert gar ein Olaf Gulbransson-Museum in Tegernsee: Welche Erinnerungen hast du selbst an ihn? Da gab´s ja immer mal wieder auch das Thema „Der lange braune Schatten“, wie Holzheimer in seiner Biografie das Kapitel überschrieben hat?
JAN GULBRANSSON: Gerd Holzheimers Buch ist sehr, sehr lesenswert! In meinen Augen hat er das Wesen meines Großvaters kongenial erfasst. Zu Deiner Frage: Was der von den Nazis hielt, zeigen seine zahlreichen spottriefenden Karikaturen vor der Machtübernahme von 1933. Später, im Dritten Reich, hat der sich dann wie so viele andere weggeduckt und versucht, nicht weiter ungut aufzufallen. Wer weiß, wie ich persönlich mich damals verhalten hätte. Darum fälle ich kein Urteil in irgendeiner Richtung. Und als Zeuge falle ich eh aus: Mehr als das, was Gerd Holzheimer beschreibt, weiß ich auch nicht...
COMICOSKOP: Holzheimer berichtet dort eher neutral-abwägend siehe Seiten 187ff. Und du hast ihn ja nur als Kind erlebt...
JAN GULBRANSSON: Ja, ganz genau, ich war acht Jahre alt, als er gestorben ist... ich habe ihn als sehr, sehr liebevollen, warmherzigen, zugewandten Menschen erlebt, obwohl er nicht viel mit mir geredet hat. Ein Gespräch mit ihm ist mir allerdings unvergessen geblieben: An seinem letzten Geburtstag saß er bei sich im Garten und briet für das bevorstehende Fest ein Spanferkel am Spieß. Ich bin dabei gesessen und hab‘ zugeschaut... Wenn du ein ganzes Spanferkel im offenen Feuer brätst, dann krümmen sich langsam dessen Vorderpfoten nach innen. Ich hab ihn gefragt, warum macht das Spanferkel das? Da hat er mir in vollem Ernst erklärt, das betet jetzt, weil´s in den Himmel kommt: So machen das die Ferkel - Hände falten können die ja nicht. Hat mir als Achtjährigem total eingeleuchtet…
In späteren Jahren wurde ich oft auf ihn angesprochen. Der Name Olaf Gulbransson war damals unglaublich bekannt. Das wurde irgendwann zu einer echten Belastung. Ich hatte das Gefühl, als würde überall ein roter Teppich vor mir ausgerollt. Unverdiente Vorschusslorbeeren können einem schwer auf die Nerven gehen, wenn man in ähnlichem Gewerbe tätig ist. Daher bin ich wohl auch dezidiert Comiczeichner geworden. Wenn du Mozart heißt, solltest du besser keine Symphonien komponieren, sondern lieber Rock oder Blues oder Jazz machen. Zum Glück galt meine große Liebe von Haus aus DONALD DUCK. Ich denke, neben allem anderen, was die Arbeit für mich so schön macht: Ab da, wo Ich für den holländischen Verlag Sanoma (früher Oberon) mit Donald-Geschichten anfing, war ich erste Mal in meinem Leben sicher, wegen meiner Fähigkeiten engagiert zu werden – denn den holländischen Redakteuren sagte mein Name Gottseidank nichts...
COMICOSKOP: Apropos „Ganz Du selbst sein“, ganz und gar eigenständig hast Du ja diverse Serien entwickelt, etwa den Comic Willi Wurm oder Flaucher Edi: Was hast du derzeit auf dem Zeichenbrett, magst für die COMICOSKOP-Leser:innen a bissal ausm Nähkästchen plaudern…?
JAN GULBRANSSON: Tatsächlich ist‘s eine Donald-Geschichte, die ich zusammen mit Rob Klein geschrieben habe. Ich sag Dir kurz, worum es geht: Daisy hat mal wieder mit Donald Schluss gemacht. Der schleicht völlig geknickt nach Hause, geht in sich – und beschließt, ein neuer Mann zu werden, …also Gottes Geschenk an die Frauen. Zeichnen tu‘ ich die Geschichte zusammen mit dem in Barcelona lebenden deutschen Disney-Zeichner Ulrich Schröder. Wir hatten wir uns schon lange gewünscht, einmal zu schauen, wie nahe wir gemeinsam an Barks herankommen.
COMICOSKOP: Worin liegt eigentlich das Geheimnis von Barks’ Geschichten? Was
unterscheidet sie von allen anderen?
JAN GULBRANSSON: Barks ist ja nicht einfach der einzigartige Zeichner, sondern der ebenso einzigartige Erzähler... Der Kern der Antwort ist ganz simpel: Vereinfachen. Raffen. Kürzen. Barks vertraut seinen Geschichten. Er hastet nicht von Gag zu Gag, von Aktion zu Gegenreaktion: Schritt für Schritt werden wir Zeuge, wie sich Spannung langsam aufbaut, Konflikte entstehen, Gefühle so lange im Zaum gehalten werden, bis sie herausplatzen. Und das macht dieses Platzen dann erst richtig komisch... Es läuft immer wieder auf die Goldene Regel hinaus: Alles rauswerfen, was nicht wirklich zur Story gehört. Kurz gesagt: Kill your Darlings. Dazu braucht man starke Nerven und einen scharfen Blick. Barks war darin Meister, das macht ihm so schnell keiner nach…
COMICOSKOP: Es ist komischer Zufall, dass Du Deinen 75. Feierst genau in dem Monat Juni, indem Donald Duck, die berühmteste Comic-Ente der Welt, runden 90. Wiegenfest begeht… deswegen seid Ihr Beiden, Ulrich Schröder und Du, ja auch auf dem Internationalen Comic-Salon in Erlangen zu Gast, um Donald in Ehren zu halten, der ja als Trickfilm-Randfigur 1934 begann, dann aber schnell zum Hauptdarsteller aufstieg, in Comicform seit 1936, dank Al Taliaferro und dessen Texter Bob Karp….
JAN GULBRANSSON: Ja, wir sind Beide in Erlangen, signieren am Egmont Ehapa Stand auf der Messe – und wir freuen uns drauf. Es ist wahr, ich gehe Donald am 4. Juni einige Tage voraus, dann folgt Donald Duck am 9.Juni, der im Silly Symphonies-Trickfilm The Wise Little Hen seinen allerersten Auftritt hatte… sein Geburtstag jährt sich 2024 zum 90. Mal...
COMICOSKOP: Ein ereignisreicher Zwillinge-Monat also…! Lieber Jan Gulbransson, danke vielmals für diesen Einblick ins konkrete Arbeiten und fürs interessante COMICOSKOP-Gespräch! Wir von der gesamten COMICOSKOP-Redaktion drücken nun alle Daumen dafür, dass die Feder für die neue Donald-Geschichte rasch geschwungen werden möge – und quasi das Bürzel in Bewegung kommt: Weil das Inking jetzt bei Ulrich Schröder in Barcelona liegt, Dein Scribble- und Bleistiftzeichnungen-Part ist geschafft... Und: Schon jetzt alles erdenklich Gute zum 75. Geburtstag, viel Glück, Gesundheit und Muße für viele neue Donald-Geschichten...!
COMICOSKOP-Redakteur der ersten Stunde: Hanspeter Reiter, Jg. 1953, erblickte in München das Licht der Welt, ist Comic-Experte aus Leidenschaft, lebt in Landsberg am Lech bei München (nach vielen Jahren in Köln). Studium der Allgemeinen Sprachwissenschaft, Phonetik/Sprachlichen Kommunikation und Finnougristik an der LMU München, vorher Volkswirtschaft / Pädagogik; M.A. phil. Mehr als 30 Jahre Erfahrung als Trainer und Berater im Bereich Verlagswerbung, -vertrieb und -Kommunikation und Weiterbildung. Spezialist für Verlagsmarketing. Schreibt seit COMICOSKOP-Gründung 2014 über den deutschen Comic-Markt, bundesdeutsche Comic-Geschichte, Comic & Werbung (wie z.B. "Lurchi") u.v.m. Fertigt seine COMICOSKOP-Rezensionen so fix, wie Lucky Luke den Colt zieht, schneller als sein Schatten. Seit kurzem ist er auch COMICOSKOP-Abgesandter im neuen Comic-Arbeitskreis der Frankfurter Buchmesse. COMICOSKOP-Kürzel: HPR.