Comicoskop-Rubrik: US-Comic History

Ex und hopp: Wow, das  sind doch nur Wegwerf-Helden!

„Regrettable Superheroes“ auf dem Müllhaufen der Comicgeschichte entdeckt

Eine Investigativ-Rezension von COMICOSKOP-Redakteur und US-Comic-Kenner Tillmann Courth

RegrettablesCover  - © Quirk Books, Philadelphia

Das ist genau mein Buch. Das hätte eigentlich der hier schreibende COMICOSKOP-Rezensent schreiben müssen! Aber ich bringe es nicht fertig, Superheldencomics zu lesen…Das hat für uns Jon Morris getan – und sich durch offenbar TAUSENDE Comichefte der Jahre 1938 bis 1993 gewühlt.

Seine Leidenschaft sind die Eintagsfliegen unter den Supermenschen.

Meine Wenigkeit (nicht umsonst der „Comic-Snob“ der COMICOSKOP-Redaktion!) rümpft die Nase über eklatanten Unfug wie SPIDER-MAN, die X-MEN oder die FANTASTIC

FOUR. Solche Helden aber sind harmlos – im Vergleich zu den echten Groteskerien, die das Comicbusiness im Laufe von über 70 Supergeschäftsjahren hervorgebracht hat. Ausgewürgt hat, möchte ich sagen!

Totgeburten wie CAPTAIN TRUTH, KANGAROO MAN, RAINBOW

BOY, GUNMASTER, POW-GIRL, THE FERRET oder THUNDERBUNNY.

Die Comic-Historie ist reichlich gesegnet mit verzweifelten Versuchen, aus dem Setzkasten der Superkräfte originelle Helden zu konstruieren. Manchmal geraten diese Kreaturen dann ZU originell. Originell im Sinne von bizarr, skurril und aberwitzig.

Morris traf letztendlich eine Auswahl und versammelt

nun 100 „Bedauernswerte“ in seinem herrlichen  Häppchenschmöker (jeder Eintrag erhält in der Regel nur zwei Seiten, manchmal sind es auch drei).

Man hat als Leser hier großen Spaß, vor dem Einschlafen noch schnell eine Portion Wahnsinn zu schnuppern man lernt dabei auch eine Menge über  US-amerikanische Comicgeschichte!

Zum Beispiel, dass es 20 Jahre vor Spider-Man eine SPIDER-QUEEN gab, die in drei Heften  des Jahres 1941 („The Eagle“ von Fox) auftauchte. Shannon Kane kann aus speziell gefertigten Armreifen Spinnenfäden verschießen und sich daran von

Hausdächern schwingen! Klingt bekannt?

Spider-Queen1  - © Fox Features, the respective copyright holders

Oder dass Harry G. Peter, der Illustrator von WONDER WOMAN, wenige Monate vor seinem Hit einen absurden Helden namens MAN O‘ METAL schuf? Durch nichts wird erklärt, weshalb Pat Dempsey sich augenblicklich zu einem flammendheißen

Metallmenschen verwandelt. Jedenfalls geschieht ihm dies, nachdem (!) er durch Explosionen, Geschosse oder Stromstöße sozusagen „entzündet“ wird. Herrje. 

ManOMetal  - © Eastern Color Printing, the respective copyright holders

Oder dass Jerry Siegel und Joe Shuster nach ihrem SUPERMAN von 1938 zehn  Jahre später große Hoffnungen in FUNNYMAN setzten? Bei der Vermarktung dieses neuen Helden von 1948 würden sie sich nicht über den Tisch ziehen lassen! Pustekuchen! Das Aus ereilte diesen verbrechensbekämpfenden Clown nach sechs Heftnummern. 

Funnyman1  - © Magazine Enterprises, the respective copyright holders  

Oder dass Bill Everett, Schöpfer von SUB-MARINER und

DAREDEVIL, sich noch kurz an einem Anti-Nazi-Kämpfer namens THE CONQUEROR versuchte? Nach der ersten Geschichte allerdings gab Everett den Griffel wieder ab, und sein „Eroberer“ ging mit dem vierten Heft, das ihn groß präsentierte (VICTORY COMICS), sang-und klanglos unter.  

Conqueror  - © Hillman Periodicals, the respective copyright holders

Oder dass jemand ernstlich erwogen hat, ein Superwesen

zu erschaffen, welches aus VIER Einzelwesen zusammengesetzt ist? Gibt es nicht?

Gibt es doch! ULTRA the MULTI-ALIEN bietet seinen Lesern das Beste aus… äh… vier Welten.

Sieht aber so unsagbar albern aus wie von Kleinkindern zusammengestecktes Playmobil-Püppchen.

UltraMultiAlien  - © DC Comics, the respective copyright holders

Oder dass US-Comiclegende Neal Adams auf SKATEMAN verfiel. Ein Kampfsportler auf Rollschuhen, der gegen eine Bande böser Rocker antritt. Erlebte nur ein einziges Abenteuer, 1983 bei Pacific Comics erschienen.

skateman  - © Pacific Comics, Neal Adams

SKATEMAN wurde auch schon von der wundervollen Webseite

„Stupid Comics“ aufs Korn genommen. Wer sich anhand einiger Beispielseiten durch dieses Debüt klicken möchte, rufe bitte folgende Seite im Internet auf:   www.misterkitty.org/extras/stupidcovers/stupidcomics223.html

 

Fazit: „The League of Regrettable Superheroes“ ist ein süffisant formuliertes, üppig bebildertes Nachschlagewerk über nicht-nachschlagenswerte Phänomene. Unnützes Wissen zwischen zwei Buchdeckeln. Doch gerade solches ist die „dunkle Materie“ des Superheldenkosmos, der letztlich ein Universum der pervertierten Fantasien ist!

Abschließend sei erwähnt, dass Autor Morris den Blog „Gone and Forgotten“ betreibt, der intelligent und amüsant über Randphänomene von Superheldencomics berichtet.  

 

(TIC)

Jon Morris: „The League of Regrettable Superheroes“ (bei Quirk Books, 2015, 260 Seiten)

Tillmann Courth ist Mitglied der COMICOSKOP-Autorenredaktion, lebt in Köln, passionierter Comichistoriker, betreibt die Webseite FIFTIES HORROR (fifties-horror.de) und kennt die US-Comics der 1940er und 1950er wie seine Westentasche.

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