Huh, schwierig! Dieses Buch habe ich mit falschen Erwartungen gekauft und gelesen. Autorin Lepore berichtet mehr am Rande von der Comicfigur Wonder Woman. „The Secret History…“ rollt vielmehr das komplette Leben von William Moulton Marston (1893 - 1947) auf, der 1941 unter dem Pseudonym „Charles Moulton“ als Erfinder der ersten Superheldin in die Geschichte einging.
Marstons Leben ist durchaus schillernd – er lebte in einer Kommune mit drei Frauen und vier Kindern (heimlich) und erfand den berühmten Lügendetektor-Test (das Gerät dazu vermarktete jedoch ein Konkurrent). Er hatte zahlreiche Jobs, war ein pompöser Selbstvermarkter und fand erst in seinen letzten Lebensjahren Ruhm, ausgerechnet als Comicautor.
Nur etwa 100 Seiten dieses Werkes (und zwar S. 183-293) sind von comichistorischem Interesse. Hier geht es (allerdings sehr spannend!) um die Erfindung, Entwicklung und Nachgeschichte von Wonder Woman. Alles danach sind Register und Fußnoten, alles davor Lebensläufe der Marston-Familie. Lepore flicht dort hinein eine Geschichte des Feminismus (der Ende des 19. Jahrhunderts als „Suffragettentum“ beginnt). Denn Marston kennt die einflussreichsten Personen der US-Frauenbewegung persönlich – und ist mit der Nichte der Frauenrechtskämpferin Margaret Sanger liiert.
„The Secret History…“ wertet den Comic WONDER WOMAN nicht als Bondage- und Sleaze-Groteske, sondern als „missing link“ zwischen Suffragettentum und dem Feminismus der 70er Jahre. Wonder Woman ist Marstons ernsthafter Versuch, gleiche Rechte für Frauen zu propagieren: Frauen sind dank ihrer Liebesfähigkeit letztlich stärker als die größten Superhelden. Die Bondage-Ikonografie (Ketten und Fesseln sind andauernd im Bild) der Zeichnungen sind nicht unbedingt Ausdruck sexuell motivierter Fesselspiele, sondern Bildzitate feministischer Illustrationen der Jahrhundertwende (dort wurden Frauen als Sklaven in Ketten dargestellt).
WONDER WOMAN war in den Kriegsjahren 1941-44 ein Millionenseller, der unter öffentlichem Beschuss stand. Die unzüchtig bekleidete starke Frau erregte den Missmut kirchlicher Verbände. DC-Herausgeber Charlie Gaines suchte fachlichen Rat bei der comicaffinen Psychiaterin Lauretta Bender (Gegenspielerin von Fredric Wertham), die Wonder Woman einen Freibrief der Unbedenklichkeit ausstellte.
1945 wird Schöpfer Marston von Kinderlähmung niedergestreckt und verstirbt zwei Jahre darauf an Hautkrebs. Seine (journalistisch erfahrene) Witwe, die Wonder Woman in Marstons Sinne weiterzuführen gedenkt, wird vom Verlag DC abgewimmelt. Stattdessen setzt man den Chauvinisten Robert Kanigher auf den Redakteurssessel. Der degradiert die unerschrockene Amazone zur Sekretärin (!) und sabotiert fortan jede feministische Botschaft.
Was ich aus Lepores Buch gezogen habe, ist zweierlei: Zum einen, dass es ZWEI „Wonder Womans“ gibt. Die original-feministische (von Moulton und Zeichner H.G. Peter) UND das hübsche Heldenbeiwerk (von Kanigher und diversen DC-Künstlern). Mitte der 40er Jahre haben beide sogar parallel nebeneinander existiert!
Zum andern ist Wonder Woman symptomatisch für das Scheitern des Feminismus. Bis heute leben wir in patriarchalischen Strukturen. Weil Männer Frauen blockieren, und weil sich Feministinnen untereinander zerfleischen. Eine bizarre Passage bei Lepore handelt davon, wie das kämpferische Frauenmagazin „Ms.“ verschwörungstheoretisch niedergemacht wird (es sei ein Organ der CIA).
Fazit: „The Secret History of Wonder Woman“ macht neugierig auf die tragische Historie des Feminismus, ist jedoch kein Insiderblick in den Comic hinein. Ich hätte mir inhaltlich mehr über das Werk des kurios zeichnenden H.G. Peter (1880 - 1958) gewünscht. WONDER WOMAN ist schon eine SCHRÄGE Comic-Kreation.
Ich würde gerne mal ein paar Geschichten lesen, ist aber schwer ranzukommen. Es gibt ein „Best of“ mit wenig originärer Wonder Woman, und dann noch teils vergriffene DC Archives. Schade eigentlich – oder isses totale Grütze? Ich weiß es nicht. Wonder Woman bleibt ein Phantom.
(tic)
Normalerweise geht es so: Verlage bauschen ihre Produkte auf und machen aus einer Mücke einen Elefanten. IDW geht den umgekehrten Weg. Frisch erschienen als neologistisch getaufte „Artisan Edition“ ist eine VERKLEINERTE Ausgabe ihrer ausverkauften „Artist‘s Edition“ von „Wally Woods EC Stories“. Umfang (152 Seiten) und Inhalt sind derselbe, nur das Format ist anders. Aus dem Elefanten wird die Mücke!
(c) Wallace Wood & Artisan Edition
Reden wir konkret über Größe (auf die es ja manchmal durchaus ankommt).
Die „Artisan Edition“ ist ein Softcoverbuch und hat etwa Albumgröße (30,5 cm hoch und 21 cm breit). Das ist heute die Standardgröße einer hochwertigen Comicpublikation, das ist schon ordentlich. Das entspricht des Weiteren etwa auch einer DIN-A-4-Seite. Normale „trade paperbacks“ von Heftserien, manche Integralreihen oder die Dark-Horse-Schmuckausgaben der Warren-Magazine sind kleiner!
Die „Artisan Edition“ ist aber auch fast gleich groß wie die gute alte EC-Library von Russ Cochran. Und daran muss sie sich jetzt von mir messen lassen. Wir erinnern: EC Library, Hardcoverbände im Schuber, Ende der 70er bis Ende der 80er Jahre veröffentlicht. Damals schwarz-weiß auf hellem Papier gedruckt, Vorlagen waren Fotografien der „original art“. Das Resultat sind saubere Seiten OHNE jeden Anflug von „original art“ (seltsamerweise). Aber im Druck sieht „original art“ ja nie aus wie „original art“… Egal.
Gestattet uns der „original art“-Look eine verschärfte Wahrnehmung? Wirkt Woods Kunst prächtiger? Erkennen wir mehr Details? (Die „Artist‘s Edition“ übrigens leistet diesen Qualitätssprung tatsächlich! Ist es also bloße Größe?!)
Trommelwirbel… und… Hopp!: Auch verkleinert wirkt die „original art“ stimmungsvoller, lebendiger – und auch tiefenschärfer! Gute Nachricht: Die neue „Artisan Edition“ ist kein rausgeschmissenes Geld.
Fragt sich nur, für welche Käufergruppe IDW dieses Experiment wagt. Fans, die keine große „Artist‘s Edition“ ergattern konnten?
Hardcore-Fans, die sowieso alles von Wood kaufen?
Seltsam-Fans, die die „Artist‘s Edition“ nur an hohen Feiertagen öffnen und sonst mal so reinblättern wollen?
Oder EC-Newbies, die zum ersten Mal auf Wood stoßen?
Die allerdings dürften vom hohen Preis (50 Dollar) schockiert sein – und womöglich auch vom Werkstatt-Look des Buches. Das Papier der „original art“ ist nicht weiß, sondern gelblich bis cremefarben, die Seiten können fleckig sein und von Deckweiß beschmutzt, oft sieht man, dass die Panels auf einer Seite zusammengeklebt wurden.
Vielleicht (meint mein Händler) ist es nur ein Verlags-Testballon, um zu schauen, wie es sich
verkauft. Dann können sie (bei positivem Rücklauf natürlich) ihre Überformatreihe in Zweitverwertung verscherbeln. Kein Vorwurf. Bei mir rennen sie offene Türen ein. Gerade „original art“
von Meistern der 1950er Jahre ist für mich das Nonplusultra von Comics. Denn damaliger Druck und Farbgebung haben viel versaut und alle Details der Kunst verwischt.
Fazit: Ich habe ein gemischtes Gefühl. Als ich die „Artisan Edition“ aufschlug (und ich hatte zuvor mal die riesenhafte „Artist‘s Edition“ einsehen dürfen), war ich ein wenig enttäuscht. Man wünscht es sich einfach GRÖSSER.
IDW hätte besser eine dritte Auflage der „Artist‘s Edition“ drucken sollen (die mit 57 cm Höhe und 39 cm Breite beinahe Din-A-2-Format erreicht!). Auch wenn die dreimal so teuer ist.
Dennoch bereue ich den Kauf nicht, beim Einlesen entwickelt sich ein schöner „Sog“ der Woodschen „original art“. Ich betrachte dieses Buch jedoch als Trostpflaster für die mir fehlende „Artist‘s Edition“.
Und, übrigens, damit SIE, liebe COMICOSKOP-Leserinnen und -Leser, erahnen, für wie genial ich „original art“ finde: Ich war nie ein Fan von Wood - nach dem Betrachten der „Artist’s Edition“ war ich es!
TIC
Es hätte keine bessere Wahl für einen Biographen geben können: Autor Bill Schelly ist ein Urgestein des Comic-Fandoms in den USA und Verfasser etlicher comichistorischer Artikel sowie Bücher über Joe Kubert und das Comicheft der 50er Jahre.
2012 hat er sich niedergesetzt und die Quellenlage zur Legende
Harvey Kurtzman (1924 - 1993) komplett neu gesichtet und eigene Untersuchungen vorgenommen.
Herausgekommen ist ein kiloschweres Hardcover-Brikett, das alle Fakten gekonnt arrangiert, erstaunlich flüssig zu lesen ist und niemals langweilig wird. Dieses Buch vermittelt dem Leser den Eindruck, Seite an Seite mit dem Comicgenie Kurtzman gelebt zu haben!
Schelly verstreut seine Zitate, Interviews und Ausführungen derart virtuos durch das Werk, das an keiner Stelle „Verklumpungen“ entstehen.
Beängstigend gut gelingt ihm, den Glanz und das Elend eines Künstlerlebens einzufangen. Eines jeden Künstlerlebens, wohlgemerkt. Auch Schelly schildert Kurtzman als frühen Magier des cartoonesken Strichs („Hey, Look!“), engagierten Redakteur (EC-Kriegscomics), inspirierten Gründer von MAD und brillanten Herausgeber des
selbstverlegten HUMBUG – aber dann ist auch ein Harvey Kurtzman Mitte 30 und braucht Sicherheit im Leben. Eine Familie und ein großes Haus wollen finanziert werden, und so verkauft er sich an den gönnerhaften Hugh Hefner („Little Annie Fanny“) und kämpft sich durch 17 Lehrjahre an der New Yorker School of Visual Arts.
Am Interessantesten fand ich sein Ringen mit dem Spätwerk für PLAYBOY. Einerseits stürzt sich Kurtzman ins New Yorker Nachtleben und unternimmt spaßige Recherche-Reisen für seine „Little Annie Fanny“, andererseits weiß er um die Beschränktheit des Konzepts und klagt über die gegeneinander wirkenden Kräfte von Satire und Sexiness. Diese Serie gibt ein prächtiges Zeitgemälde ab, jedoch verschwindet dasselbe hinter Annies fantastischen (im doppelten Sinne) Brüsten. Schelly zeichnet das Bild eine geborenen Künstlers, aber auch eines getriebenen Individuums. Immer wieder fokussiert er auf Kurtzmans mögliche Motivation für dessen manchmal sprunghafte Entscheidungen.
Dieses Eingehen auf die Person Kurtzman verleiht seiner Biographie den „Kitt“, den Zusammenhalt dieser enormen Lebensleistung. Doch zugleich macht Schelly auch klar, dass Kurtzmans Inspirationen auch nicht aus der Luft gegriffen waren, sondern zeitgenössische Einflüsse spiegeln und auch auf Vorbilder zurückgreifen.
Kurtzman – ein Mensch mit Wünschen, weniger mit einer Mission. Eine Entzauberung des Geniekults, sicherlich und Gottseidank, denn letztlich sind wir alle nur kleine Würstchen und gebeutelte Charaktere. „Harvey Kurtzman – The Man Who Created MAD” hinterlässt einen mit vielen Einsichten und einem Gefühl von Demut. Große Kunst ist wundervoll, doch lange nicht alles im Leben…
Ein hervorragender Begleitband zur eher spärlich bebilderten Biographie ist übrigens “The Art of Harvey Kurtzman – The Mad Genius of Comics” von Denis Kitchen und Paul Buhle, 2009 bei Abrams Comicarts erschienen (250 Seiten). Hier finden sich auch viele Fotos, Dutzende Titelbilder und Entwürfe sowie seitenweise Nachdrucke rarer Spätwerke wie “The Grasshopper and the Ant”,
“Marley’s Ghost”, “James Cagney in Ireland” sowie ausführliche Seiten zur Produktionsweise von “Little Annie Fanny”.
(tic)
COMICOSKOP, das deutsche E-Fachmagazin für Comic-Kultur und Bildgeschichte, nutzte die Gelegenheit, dem Autoren Bill Schelly in einem Exklusiv-Interview einige Fragen per Mail zu stellen. Wir belassen die folgende Korrespondenz im englischen Original (das Buch ist schließlich auch in Englisch abgefasst).
Links: Bill Schelly - Autor der lesenswerten neuen Harvey Kurtzman-Biografie
Foto: Bill Schelly
COMICOSKOP: Congratulations on your book about Harvey Kurtzman. I think it’s a work of excellent journalism. Which took you three years to write, as you already told me. How hard was it piecing together all the source material? I imagine you standing before a big blackboard and arranging your notes? What to put in where?
Bill Schelly: Well, let me tell you that it tested my ability to
coordinate so much information. After I conducted most of the interviews, I highlighted the parts of them I wanted to use. Then I created a list of the chapters, with working titles: “Early Life,” “High School,” “In the Army,” “Mad,” etc. I always compare it to creating a shopping cart for each chapter, and tossing the quotes and other facts into the appropriate cart. I also went through existing interviews, and
selected quotes that seemed most fitting. And, of course, I created a timeline of Kurtzman’s life, tying down various events to specific dates and times. When this preliminary sorting process was done, I was able to go into each chapter and organize the material. This allowed me to see where there were gaps, which I proceeded to fill.
I ended up doing five drafts, and moved paragraphs around almost until the last minute.
COMICOSKOP: You show us very much the man behind the genius. Was this your motivation to tackle this enormous enterprise: Depict Kurtzman as a struggling individual? Make him only human?
Bill Schelly: Any biography is going to show you the person behind the façade that the world sees. I definitely considered Kurtzman a genius, and have been a fan for many years. However, I decided to keep an open mind about all aspects of his career, and let the facts that I discovered tell the story. In other words, I didn’t have a pre-determined story of his life that I wanted to tell. I didn’t know, for example, if I thought Kurtzman was right or wrong about leaving MAD when he
did, and the way he did. That ended up being a very complicated subject, which took the better part of two chapters to explain.
COMICOSKOP: Do you see Kurtzman as a tragic figure? After having created the EC war books and MAD, it couldn’t get any better, could it?
Bill Schelly: Harvey Kurtzman was an innovator. He was always inventing new formats, new ways of presenting material, and tackling new subjects. If he’s a tragic figure, then his tragic flaw is that he couldn’t be at his most creative unless he had total creative freedom, and he found that very seldom in his career after leaving MAD.
We’ll never know if he could have created work at least as good as his
EC material because he never had the creative freedom and right situation to do his best.
COMICOSKOP: Kurtzman broke a lot of ground, because he was as driven as he was. Leaving MAD, trying to establish new publications, other forms of satire – and in the end doing sexy comedy
for PLAYBOY. As much as I love Kurtzman and Elder, I never warmed up to „Little Annie Fanny“. Can you read this stuff?
Bill Schelly: You have to remember, most of the Little Annie Fanny episodes were no longer than three or four pages. Kurtzman and Elder
created very dense, crowded pages, so they DO take concentration to read. But I do enjoy reading Little Annie Fanny in small doses. I think a lot of it IS very funny, skewering the latest trends in popular culture, or in society overall. Also, it’s worth mentioning that Annie was very popular with the readers of Playboy. I’m sure there are some people who love it over his other work, or at least know it better than anything else.
COMICOSKOP: I get a kind of Woody-Allen-feeling looking back on Harvey’s life. “I like your early, funny movies”… (as Allen is confronted by fans in STARDUST MEMORIES). Is this the curse of the artistic genius? To accomplish so much too soon?
Bill Schelly: If great success is going to come to writers or artists, it often comes “too soon” because the most brilliant ideas, which have been fermenting in their imaginations as they were growing up. But then, after that, what are their OTHER ideas? What else do they have to offer? In Kurtzman’s case, it didn’t come “too soon,” because he was in his late twenties when he arrived at EC. He invented MAD when he was approaching 30 years old. That’s actually a very good time to break through, because he was still young enough to not be jaded, but old enough to have some creative perspective.
However, Kurtzman later admitted that he did put all his original “best ideas” into 28 issues of MAD. Still, there was marvelous work in Humbug, and even Help!, such as Goodman Beaver. If he’d had
better circumstances, I’m certain Kurtzman would have produced more great work in his later years. Unfortunately, we’ll never know because he was stuck with Annie Fanny. Then, of course, he began ill when he was 58, which created additional pressures on him.
COMICOSKOP: What was the biggest surprise you came over during your research? What made you think “Wow, I didn’t know that yet”?
Bill Schelly: I think my biggest surprise was discovering all the reasons why Kurtzman left MAD when he did, after just five magazine issues. Most of his fans probably, in retrospect, think leaving MAD was a huge mistake, one that he never recovered from. But as I dug as deeply as possible into the situation, I realized that Kurtzman’s regard for Gaines had soured for a number of reasons. So how do you work for someone you no longer respect?
How do you go into the office and deal with the negative atmosphere day after day? I think most of us would have been more than happy to take up what looked like a great offer for another job, one
that offered a new start, more money, and the realization of a lifelong dream. So, in the end, I came to feel that Kurtzman quitting MAD was NOT a mistake. Or, at least it was understandable, given the situation.
COMICOSKOP: What is your favorite Kurtzman story (graphic-wise)? Mine, by the way, is the first I ever saw reprinted, the kick-off story of his TWO-FISTED TALES – “Conquest”. Your favorite, please?
Bill Schelly: I have a lot of favorite Kurtzman stories. “The Corpse on the Imjin!” and “Big ‘If’!” from his war comics are two of my absolute favorites. I love “Woman Wonder!” in MAD, and the Goodman Beaver story in HARVEY KURTZM AN’S JUNGLE BOOK. Also, I am a big fan of his “Hey Look” pages for Timely Comics.
COMICOSKOP: Is there anything you want to tell potential readers of your book?
Bill Schelly: I tried to make it read like a novel, not a dry exercise in discussing the work of a comics genius. Of course the stories are discussed, but the purpose of the book was to tell Harvey Kurtzman’s life story, emphasis on STORY. It’s a narrative. So when people tell me they couldn’t put it down, or wished it was longer, I feel gratified because maybe I succeeded in making it readable and enjoyable.
COMICOSKOP: Thank you very much, Bill!
© Burne Hogarth estate.
Gilt als Michelangel der Comic-Geschichte: Burne Hogarth (1911 - 1996) /
Foto: (c) Jim Vadeboncoeur, Jr.
© Burne Hogarth estate.
Man muss Superman dankbar sein. Auch wenn es mir schnurzpiepegal ist, wie oft er die Welt gerettet hat, dann muss ich ihm doch danken, dass er mein Lieblings-Printmedium am Leben gehalten hat: das Comicheft!
Denn in jenem Sommer 1938 ziert der Alien-Athlet vom Planeten Krypton das Titelbild der
ACTION COMICS Nr. 1, jener „Mona Lisa“ der „comic books“ – grotesk teuer gehandelt auf dem heutigen Sammlermarkt. ACTION COMICS Nr. 1 ist in der Tat ein Meilenstein, denn es begründet das Genre der Superheldencomics, löst eine Lawine weiterer Heldenheftchen aus, ist der Urknall eines Comiczeitalters
(welches aus der Retrospektive als „Golden Age“ bezeichnet werden wird), etabliert eine künstlerische Industrie – und hält diese bis heute am Laufen.
Große und kleine Zeichenstudios schießen aus dem Boden, welche hunderte großer und kleiner Superhelden in den Himmel schleudern. Was nicht sofort wieder als lebensunfähiger Klon herunterfällt oder von der Rechtsabteilung der DC Comics abgeschossen wird, fliegt zumindest ein paar Hefte lang und verschafft jungen Kunststudenten ihre erstverdienten Kröten.
Die bunten Übermenschen in ihren unpraktischen Kostümen sorgen für soziale Gerechtigkeit, bekämpfen Verbrechen und Korruption – und geben den arischen Übermenschen in
(Kennt kein Schwein: Action Comics Nr.2 / c) DC Comics
Nazideutschland tüchtig eins auf die Mütze. Der Führer selbst wird Opfer von Superheldenselbstjustiz, oft genug trifft es jedoch nur einen Hitler-Doppelgänger (hah!).
Jede Mode geht vorüber, und so kommt es, dass die Comicindustrie sich auf die Suche begibt nach neuen Märkten, Trends und Zielgruppen. Im Endresultat wird alle paar Jahre eine neue Sau durchs Dorf getrieben (ein schöner Vergleich ist die Kopier-Wut des deutschen Fernsehens – auf die Talkshow-Welle folgt die Game-Show-Welle folgt die Reality-TV-Welle folgt die Casting-Show-Welle etc.).
Der Verlag Fiction House drängt ab 1940 mit Abenteuercomics auf den Markt, die ihren Lesern bunte Wundertüten vielfältigster Actionhelden präsentieren. Boxer, Spione, Piraten, Flieger, Soldaten, Taucher und Entdecker paradieren superheldengleich durch die knalligen Seiten von FIGHT COMICS, RANGER COMICS und WINGS COMICS.
Mit der Serie JUNGLE COMICS kopiert man gnadenlos Tarzan – und geht sogar noch einen (vermeintlich emanzipatorischen) Schritt weiter: Tarzans Jane wird mit der Erfindung der Dschungelamazone SHEENA selbständig und darf eine Heldin sein! Eigentlich geht es den Verlegern aber mehr darum, Frauen im Bikini darstellen zu können.
Kein Wunder, dass der für seinen „sleaze“ berüchtigte Victor Fox solche Ware im Dutzend auflegt – und gerne auch ein bisschen „bondage“ hinzumontiert. So verkommen Prachtweiber mit Phantasienamen wie Rulah, Zegra oder Nyoka zu bloßem „eye candy“. Gar nicht zu reden von der Fox-Ausgeburt PHANTOM LADY, die als Verbrechensbekämpferin halbnackt durch die Stadt hüpfen darf. Hier gilt mein „Mantra Nummer Eins“: Comickultur ist Pin-Up-Kultur!
1942 wagen es die Redakteure Charles Biro und Bob Wood, ein komplettes Comicheft nur mit Schilderungen von Verbrechen zu füllen. Ging es zuvor in Comicstrips um kernige Detektive und wack’re Kriminalkommissare, so stehen nun die Gangster im Mittelpunkt. Angeblich „wahre Begebenheiten“ werden reißerisch ausgestellt, die darin vorkommende Gewalt wird genüsslich zelebriert. Natürlich nur, um am Ende den Bösewicht nach haarsträubender Hatz mit Kugeln zu penetrieren oder grausam auf dem elektrischen Stuhl zu „braten“ – schließlich heißt das Heft ja CRIME DOES NOT PAY.
In der Wildnis werden Frauen oft hängengelassen: Dschungelbondage... (c) Fiction Hause
Auszahlen tut sich das Verbrechen allerdings für den Verleger, der sich bald mit Nachahmungstätern im Dutzendbereich konfrontiert sieht. Perfide Epigonen trumpfen auf mit Titeln wie CRIMES BY WOMEN, FAMOUS GANGSTERS oder LAWBREAKERS SUSPENSE STORIES.
1947 transportieren Joe Simon und Jack Kirby romantische Liebesschnulzen in ein eigenes Heft. Mit YOUNG ROMANCE ist das Genre der Liebescomics oder „romance books“ geboren. Der höchst einflussreiche Kirby hatte Jahre zuvor schon mit seinem Captain America den Superhelden-Boom mit angeheizt (und wird in Zukunft in diesem Genre noch weitere Akzente setzen).
Comichefte haben nun auch gezielt weiblicher Leserschaft ein Angebot zu machen, das diese offenbar nicht ablehnen konnte. Denn in der Folge werden die Schlagworte „Love“ und „Romance“ in allen
Frauen und Kinder zuerst: Murder incorporated. (c) Fox Features Syndicate
nur denkbaren Kombinationen am Kiosk angeliefert: FIRST LOVE, DARLING ROMANCE, REAL LOVE, HIGH-SCHOOL ROMANCE, MY LOVE SECRET sowie sicherheitshalber die Titel ROMANTIC LOVE bzw. LOVE ROMANCES.
Dies ist wohlgemerkt nur ein winziger Auszug aus dem Titelregister. Wie ich auch nur vereinzelte Namen fallen lassen möchte, wenn es nun um Westerncomics geht. Der Fawcett-Verlag (der übrigens mit seinem Captain Marvel die Verkäufe von DCs Superman übertraf und dafür letztlich zu Tode prozessiert wurde) setzt früh auf Comicversionen von Kino-Cowboys wie HOPALONG CASSIDY, GENE AUTRY und TOM MIX.
Erst ab 1948 aber beobachten wir eine wahre Stampede sterngeschmückter Scharfschützen – der wehrhafte Cowboy erweist sich als der realistischere Superheld. Er kann zwar nicht fliegen, trifft jedoch mit jedem Schuss (und ist selber beinahe unempfänglich für die Geschosse seiner Gegner). Der Marvel-Verlag schwingt sich in den Sattel mit Serien wie KID COLT OUTLAW und WILD WESTERN, die Konkurrenz bei DC kontert mit ALL-STAR WESTERN und WESTERN COMICS. Besonders kuriose Ausgeburt ist das Heft KID COWBOY vom Kleinverlag Ziff-Davis, in welchem ein bewaffneter Teenager-Junge reihenweise die übelsten „badmen of the West“ auf die Bretter schickt.
1950 nimmt ein Genre Fahrt auf, welches seit Jahren mit subkutaner Virulenz vor sich hinbrütete: Horrorcomics bahnen sich mit Ellbogen ihren Weg an die Spitze der Verkaufszahlen. Der betuliche Verlag ACG (American Comics Group) liefert seit zwei Jahren gutmütige Gruselware im Titel ADVENTURES INTO THE UNKNOWN, doch nun rufen die Entertaining Comics (EC) unter Leitung des frechen Herausgebers Bill Gaines und seines kompetenten Chefredakteurs Al Feldstein ihren „New Trend“ aus.
Sie modeln ihre bisherigen Serien belangloser Dutzendware gründlich um
Verhaltensauffällige Jugendliche prügeln sich mit Knastbrüdern auf Zugdächern: KID COWBOY (c) Ziff Davis
und klotzen vier Jahre lang dermaßen qualitätsbewusst rein, dass diese Comics noch heute als die besten Produkte ihrer Epoche gelten. TALES FROM THE CRYPT, VAULT OF HORROR und HAUNT OF FEAR befeuern die schlummernde Lust auf gewagte Experimente – sei es grafischer oder inhaltlicher Natur.
Zeitgleich powert Marvel (unter dem Signet „Atlas“) einen sagenhaften Horror-Output in den Handel. Obwohl sie viermal so viel produzieren wie der nächstgrößte Player, gelingt es Stan Lee nicht die Monopolstellung zu erobern. Nahezu alle Verlage publizieren 1952 Horrortitel. Das Spektrum ist entsprechend atemberaubend: Vom literarisch bemühten Szenario über jenseitigen Trash und ironische „Quickies“ bis hin zu dreisten Plagiaten und derben Schockern findet sich alles!Die Saat der Subversion (all diese Comics pflanzen Bilder in die Köpfe ihrer Leser, welche dem öffentlich gelebten „American Way of Life“ diametral widersprechen) geht zu Beginn der 50er Jahre noch prächtiger auf.
1952 kreiert Harvey Kurtzman bei ebenjenen schamlosen EC Comics das erste Satire-Comicheft, das landesweit Verbreitung findet: MAD ist da (und geht auch nicht mehr weg). Als sich nach fünf Ausgaben tatsächlich ein gewaltiger Erfolg einstellt, versuchen auch hier Trittbrettfahrer mit Synomymtiteln wie CRAZY oder NUTS aufzuspringen. Die überragende Qualität von MAD schickt alle Kopien in den Orkus, erst 1958 kann sich CRACKED als dauerhafte Nummer Zwei etablieren.
Letztes neues Genre dieser Jahre ist der Kriegscomic. Der Eintritt der USA in den Koreakrieg (1950-53) beschert der Comicindustrie das „war comic book“. War der Krieg zuvor lediglich Folie ist für fantastische Eskapaden jenseits jeder Realität (erlebt von Superhelden oder Meisterspionen), so rückt mit Heften namens WARFRONT, G.I. JOE, COMBAT KELLY, MARINES IN BATTLE oder TRUE WAR EXPERIENCES der normale Soldat in den Mittelpunkt des Geschehens. Tapfere, unverdrossene Kämpfer mit dem Herz auf dem rechten Fleck meistern jede missliche Lage und metzeln sich durch Horden rotchinesischer Landser.
Von nun an wird nichts mehr ernstgenommen! Harvey Kurtzmans MAD hat keine Angst vor KING KONG (c) E.C. Comics / MAD / Harvey Kurtzman
Betont sei jedoch, dass Verlage wie Atlas oder EC (schon wieder) ein anderes Bild des Krieges malen. In den Jahren 1951-54 überraschen und schockieren Serien wie TWO-FISTED TALES, BATTLEFIELD und FRONTLINE COMBAT nicht nur mit ungeschönten Darstellungen von der Schmutzigkeit und Sinnlosigkeit des Krieges, sondern auch mit einfühlsamem Verständnis für die Opfer auf der Gegenseite. Der Feind ist weder Bestie noch namenlose Nummer, sondern ein verzweifeltes Individuum mit den gleichen Ängsten, Nöten und Sorgen wie sein amerikanischer Gegner.
1952/53 erlebt der Comic-Boom seinen Höhepunkt: An amerikanischen Kiosken locken monatlich Dutzende von Titeln aller Genres mit waghalsigen Aufmachern. Wer hier nicht differenziert, in die Hefte hineinschaut (und womöglich gutes Artwork oder knackige Kurzgeschichten entdeckt), der ist geneigt, dieses Überangebot generell für „Teufelszeug“ zu halten.
Zumal wohlmeinende Pfarrer, Lehrer und Psychologen (darunter an vorderster Front der pressegeile Psychiater Dr. Wertham) stellvertretend für den US-Bürger zwar hineingeschaut, aber leider nicht verstanden haben, dass die wüsten „comic books“ einen popkulturellen Paradigmenwechsel in der Gesellschaft einleiten (wie der zeitgleich aufkommende Rock’n’Roll, der Siegeszug des Fernsehens und die Veröffentlichung des „Playboy“).
Ehe eine staatliche Zensur niederhämmern kann, zieht man in der Comicindustrie selbst die Notbremse und unterwirft sich einer (radikal ausgelegten) freiwilligen Selbstkontrolle namens „Comics Code“, die ab 1955 für alle 10-Cent-Produkte greift. Das Resultat ist ein kastrierter, infantilisierter und sterilisierter Comicmarkt, der auf kindliche Leserschaft ausgerichtet wird und jeden denkenden Menschen nur abstoßen kann.
Horror verwässert zu Mystery, lustvoller Trash gerät zu formelhaften Banalitäten, Crime verliert sich in faden „Räuber-und-Gendarm“-Possen. Die wenigen überlebenden Superhelden müssen jetzt gegen Weltraum-Monster antreten, oder noch ärger: ringen mit ihrem Privatleben (zu dem nun auch Super-Haustiere gehören).
EC lässt (wie die meisten anderen kleinen Häuser) die Läden runter, einige schaffen die Umstellung auf Herausgabe von „funny books“ – und obenauf schwimmt der Verlag Dell, der seit dem Jahr 1940 (!) bestens von familienfreundlichen Disney-Lizenzen lebt. Hinzu kommen ab Mitte der 50er Jahre weitere erfolgreiche Fernsehcomics (LASSIE, RIN TIN TIN, I LOVE LUCY) sowie Rückbesinnung auf klassischen Abenteuerstoff wie brave Western, ZORRO und TUROK SON OF STONE.
Überraschend gut schlägt sich DC, wohingegen
Wovor sich Timmy und Lassie hier erschrecken? Bestimmt vor keinem MONSTER mehr... (c) Dell Comics
Atlas/Marvel in die Krise trudelt. Die Insolvenz des hauseigenen Vertriebs zwingt Stan Lee 1957, sein Comicprogramm radikal auf eine Handvoll Titel zu verschlanken. Historiker mutmaßen, dass diese Fokussierung auf Wesentliches die nötigen Synergien freisetzt, damit Marvel zu Beginn der 60er Jahre wie Phönix aus der Asche steigen kann…
DC übernimmt für den Rest der 50er Jahre das Superheldenbusiness und beweist den richtigen Riecher mit der Gründung eines neuen Heldenteams (JUSTICE LEAGUE OF AMERICA) und der zuvor erfolgten Wiederbelebung der Helden GREEN LANTERN und FLASH. Im DC-Probierheft SHOWCASE vom Herbst 1956 wird der redesignte FLASH losgelassen, woran viele Comicliebhaber die Geburt des „Silver Age of Comics“ festmachen. Es sei darauf hingewiesen, dass der zweite Auftritt des neuen FLASH erst acht Monate später erfolgt, der dritte sogar weitere zehn Monate nach dem zweiten (da befinden wir uns schon im Jahre 1958). An irgendwas muss man sich ja halten!
Leichteste Fingerübung: Zweiter Auftritt des neuen FLASH. (c) DC Comics
Deshalb will ich Ihnen, liebe COMICOSKOP-Leserinnen und -Leser, zum Schluss mein „Mantra Nummer Zwei“ mit auf den Weg geben: Comics waren nie kreativer als in den frühen 50er Jahren!
Wer sich dank dieses COMICOSKOP-Essays auf vertiefte Entdeckungsfahrt begeben möchte, dem kann ich wärmstens die Internetseiten
COMIC BOOK PLUS
http://comicbookplus.com/
und DIGITAL COMIC MUSEUM
http://digitalcomicmuseum.com/index.php
empfehlen. COMICOSKOP-Redakteur Tillmann Courth ist dort Mitarbeiter und hat hunderte Hefte dieser Zeit gescannt und hochgeladen.
COMIC BOOK + verfügt über geniale Suchfunktionen – zum Beispiel nach Genre („Categories“) oder nach Erscheinungsdatum („Newsstand“).
Wer direkt die konzentrierte Packung Wahnsinn möchte, wende sich grauen- und vertrauensvoll an die Spezial-Webseite von COMICOSKOP-Redakteur Tillmann Courth: http://fifties-horror.de/
(tic)